NSU-Prozess: Beate Zschäpe mit Übelkeit vor Gericht - Verhandlung abgebrochen
Beate Zschäpe leidet immer noch an Übelkeit und Kopfschmerzen, dennoch muss sie am Donnerstag beim NSU-Prozess vor Gericht erscheinen. Schon kurz nach Beginn wird die Verhandlung wieder abgebrochen.
Beate Zschäpe scheint derzeit dem NSU-Prozess nicht mehr gewachsen zu sein. Noch bleicher als sonst trat die Angeklagte am Donnerstag im Oberlandesgericht München auf, die Übelkeit der vergangenen Tage hatte sich offenbar verstärkt. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer betonte gleich zu Beginn der Verhandlung, seine Mandantin sei nicht verhandlungsfähig. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl ließ Zschäpe von Landgerichtsarzt Konrad von Oefele untersuchen, er bescheinigte ihr „ausgeprägte psychophysische Beeinträchtigungen“ mit Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Konzentrationsstörungen. Kurz nach 12 Uhr zog Götzl die Konsequenz und brach den Verhandlungstag ab.
Damit ist die Prozesswoche wegen Zschäpes Erkrankung weitgehend ausgefallen. Am Dienstag hatte Götzl die Befragung eines Zeugen gestoppt, als Verteidiger Heer auf die gesundheitlichen Probleme Zschäpes verwies. Am Mittwoch beendete Götzl die Verhandlung, bevor sie angefangen hatte. Der Strafsenat hatte diese Woche unter anderem den Bruder des NSU-Mörders Uwe Böhnhardt und die Ehefrau des Angeklagten Ralf Wohlleben vernehmen wollen.
Zschäpe hat nun anderthalb Wochen Zeit, sich zu stabilisieren. Der Prozess wird erst am 19. Mai fortgesetzt. Kommende Woche steht der Saal A 101 wegen einer anderen Hauptverhandlung nicht zur Verfügung.
Belastbarkeit Zschäpes erheblich eingeschränkt
Die Angeklagte war am Donnerstag offenbar gegen ihren Willen ins Gericht gebracht worden. Obwohl Zschäpe schon am Morgen in der JVA Stadelheim, wo sie in Untersuchungshaft sitzt, ihre Beschwerden mitgeteilt hatte, fand laut Anwalt Heer keine ärztliche Untersuchung statt. Vielmehr sei seiner Mandantin gesagt worden, sie habe bei der Verhandlung zu erscheinen, „komme was wolle“, monierte der Verteidiger. Zschäpe hatte sich dann widerstandslos von der Polizei ins Gericht fahren lassen, um eine zwangsweise Vorführung zu vermeiden.
Dass in der JVA eine ärztliche Untersuchung offenbar unterblieb, erscheint seltsam. Am Mittwoch hatte Zschäpe aufgrund ihrer Erkrankung die Fahrt zum Gericht gar nicht antreten müssen. Dass es der 39-jährigen Frau am Donnerstag keineswegs besser ging, ist dem Befund von Landgerichtsarzt von Oefele zu entnehmen. Er sah eine „psychovegetative Erschöpfungsreaktion“ durch die lange Hauptverhandlung, die vor einem Jahr begonnen hatte. Der Arzt hielt die „psychophysische Belastbarkeit“ Zschäpes für erheblich eingeschränkt. Bei der Untersuchung hatte Zschäpe gesagt, sie habe „wahnsinnige Kopfschmerzen“, Magenschmerzen und Übelkeit. Sie sei „zittrig auf den Beinen“ und am Morgen „fast umgekippt“. Schon die ganze Woche habe sie „ein flaues Gefühl“.
Von einer längeren oder gar dauerhaften Verhandlungsunfähigkeit ist allerdings nicht die Rede. Sollte Zschäpe sich allerdings nicht von ihrem Tief erholen, könnte in letzter Konsequenz das Verfahren gegen sie abgetrennt werden. Der Strafsenat würde dann gegen die vier weiteren Angeklagten im NSU-Prozess weiterverhandeln. Zschäpe stünde erst wieder nach der Gesundung vor Gericht.
Befangenheitsantrag gegen einen Arzt
Trotz der eindeutigen Diagnose, die von Oefele am Donnerstag abgab, haben Zschäpes Verteidiger offenbar den Eindruck, die Erkrankung ihrer Mandantin werde mal mehr, mal weniger ernst genommen. Am Dienstag hatten die Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen einen anderen vom Gericht berufenen Arzt gestellt. Die Anwälte warfen ihm vor, er habe Zschäpe nicht untersucht, nachdem Richter Götzl die Verhandlung wegen der gesundheitlichen Probleme Zschäpes unterbrochen hatte. Der Arzt hingegen hatte dem Gericht mitgeteilt, Zschäpe habe sich nicht untersuchen lassen, weil er ihr keine komplette Schweigepflicht zusichern konnte. Außerdem berichtete der Mediziner, die Angeklagte habe als Grund für ihren Zustand eine „schlechte Nachricht“ genannt, ohne jedoch den Inhalt zu nennen.
In Justizkreisen hieß es, möglicherweise sei Zschäpe auf den Magen geschlagen, dass der Strafsenat Briefe beschlagnahmen will, die sie einem inhaftierten Rechtsextremisten in die JVA Bielefeld geschickt hatte. In den Schreiben lässt Zschäpe ihrer Zuneigung zu dem Mann freien Lauf. Die Briefe sind allerdings bislang nicht in den Prozess eingeführt worden. Die Verteidiger sehen auch keine Notwendigkeit.
Der Strafsenat scheint hingegen eine Gelegenheit zu erkennen, wenigstens etwas mehr von der Persönlichkeit der hartnäckig schweigenden Angeklagten erfahren zu können. Außerdem wollen die Richter offenbar linguistisch untersuchen lassen, ob Zschäpes Schreibstil dem eines Manifests der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ ähnelt.
Die Bundesanwaltschaft hält Zschäpe für eines von drei Mitgliedern des NSU. In der Anklage wird der Frau vorgeworfen, bei den zehn Morden und weiteren Verbrechen der Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Mittäterin gewesen zu sein. Außerdem hält die Bundesanwaltschaft Zschäpe für überführt, am 4. November 2011 in Zwickau die gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt bewohnte Unterkunft angezündet zu haben. Stunden zuvor hatte die beiden Männer in einem Wohnmobil in Eisenach ihrem Leben ein Ende gesetzt, als sie nach einem Bankraub von der Polizei aufgespürt wurden.