17. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Beate Zschäpe hatte Selbstmordgedanken
Beate Zschäpe schweigt weiterhin vor Gericht. Doch am heutigen Dienstag sagte ein Beamter der Polizeidirektion Zwickau aus, der kurz nach Zschäpes Festnahme im November 2011 mit ihr gesprochen hatte. Sie habe darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen, aber dazu nicht die Kraft gefunden.
Sie schweigt eisern. Nur kurz hat sich Beate Zschäpe nach dem Ende des NSU geäußert, in wenigen Gesprächen mit der Polizei. Ein Beamter der Polizeidirektion Zwickau, der Stunden nach der Festnahme am 8. November 2011 mit ihr redete, hat am Dienstag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München ausgesagt – die Öffentlichkeit erfuhr nun erstmals zumindest aus zweiter Hand, was Zschäpe von sich gegeben hatte. Sie habe in den Tagen zuvor darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen, aber dazu nicht die Kraft gefunden, zitierte der Kriminalhauptmeister aus dem Gespräch vom Abend des 8. November 2011.
Die Thüringer Polizei hatte Zschäpe zur Direktion Zwickau gebracht, nachdem sie sich in Jena gestellt hatte. Die Frau war vier Tage mit der Bahn durch Deutschland geirrt, nachdem sie am 4. November 2011 die gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt genutzte Wohnung in Zwickau in Brand gesetzt hatte. Zuvor hatten sich Mundlos und Böhnhardt am selben Tag nach einem Banküberfall in Eisenach getötet. Bei dem Brand der Wohnung habe sich Zschäpe aber noch nicht selbst „wegräumen“ wollen, sagte der Beamte. Der Gedanken an einen Suizid sei ihr erst gekommen, als sie durch die Republik fuhr. Als eine Station habe Zschäpe Braunschweig erwähnt.
Zschäpe habe übernächtigt gewirkt und sich in der von der Polizei gestellten Kleidung unwohl gefühlt, erinnerte sich der Beamte. Sie habe zunächst bei der Vernehmung als Beschuldigte zum Wohnungsbrand in Zwickau nichts gesagt – und nur bei der Unterzeichung des Protokolls angemerkt, erstmals seit langer Zeit wieder ihren Namen geschrieben zu haben. Zschäpe hatte sich in den fast 14 Jahren im Untergrund mit Aliasnamen wie „Lisa Pohl“ und „Lisa Dienelt“ getarnt. In der halbstündigen Wartezeit auf die Überführung in die Gewahrsamszelle habe sich dann doch ein Gespräch entwickelt, sagte der Kripomann. Zu Beginn hatte er allerdings Zschäpe gesagt, er werde nachher einen Vermerk schreiben. Zschäpe plauderte trotzdem. Bei dem Gespräch, das nicht mehr im Vernehmungsraum, sondern im Dienstzimmer des Beamten stattfand, konnte sie rauchen und essen. Eine Beamtin aus Baden-Württemberg, die im Fall der vom NSU ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter ermittelte, war auch dabei.
Zschäpe habe sich mehrfach nach dem Wohlergehen ihrer Katzen erkundigt, sagte der Polizist. Sie hatte die zwei Tiere aus dem Haus gebracht, bevor sie die Wohnung anzündete. Er habe Zschäpe gesagt, die Katzen seien in einem Tierheim untergebracht, berichtete der Polizist. Und er erinnerte sich an Äußerungen Zschäpes, die seltsam klingen. Der Beamte bohrte aber nicht weiter nach.
Sie könne sich nicht erklären, warum die beiden Uwes „sich so entwickelt haben“, zitierte der Beamte die Frau. Mundlos und Böhnhardt hätten doch, anders als sie selbst, ein behütetes Elternhaus gehabt, habe Zschäpe gesagt. Was sie mit „sich so entwickelt haben“ genau meinte, fragte der Polizist nicht. Vielleicht sei „der Sachzusammenhang gewesen“, dass die beiden Uwes so kriminell geworden seien. Zschäpe habe sich selbst als „Oma-Kind“ dargestellt. Das Verhältnis zur Mutter sei schlecht gewesen. Zschäpe habe es bedauert, dass sie in den Tagen nach dem Brand in Zwickau keinen Kontakt zur Großmutter habe aufnehmen können. Warum nicht, blieb bei der Aussage des Beamten offen.
Zschäpe habe auch gesagt, die beiden Uwes seien ihre Familie geworden. Und sie selbst sei „zu nichts gezwungen worden“. Auch bei diesem Zitat blieb unklar, was Zschäpe damit meinte. Blieb sie freiwillig bei den beiden Uwes, obwohl die kriminell waren und mordeten, sprengten und raubten?
Erzählt habe Zschäpe dann auch, dass sie die Mütter der beiden Uwes angerufen hatte, um ihnen den Tod ihrer Söhne mitzuteilen. Wie Zschäpe erfahren hatte, dass die Mundlos und Böhnhardt nicht mehr lebten, soll sie in dem halbstündigen Gespräch nicht gesagt haben. Der Kriminalpolizist hat auch da keine weiteren Fragen gestellt. Zschäpe folgte der Äußerung mit verschränkten Armen und einem kurzen Lächeln.
Die Verteidiger Zschäpes halten die Angaben des Polizisten zu dem Gespräch für rechtlich unbrauchbar. Anwalt Wolfgang Heer widersprach "der Verwertung der Bekundungen des Zeugen", soweit sie Äußerungen Zschäpes aus dem Gespräch betreffen. Heer verwies auf die Strafprozessordnung. Dort heißt es, die Freiheit der "Willensbetätigung eines Beschuldigten" dürfe nicht durch Ermüdung beeinträchtigt werden. Die Verteidiger hatten zuvor schon in ihren Fragen an den Beamten erkennen lassen, dass sie das Gespräch an sich schon für unzulässig halten, da Zschäpe bei der formellen Vernehmung zuvor sich geweigert hatte, etwas zu Tatvorwürfen zu sagen.
Am Nachmittag berichtete ein weiterer Polizist von kurzen Unterhaltungen mit Zschäpe. Der Beamte des Bundeskriminalamts hatte Zschäpe am 13. November 2011 von Chemnitz zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe gebracht, unter anderem in einem Hubschrauber der Bundespolizei. Beim BGH wurde sie dem Ermittlungsrichter vorgeführt, der ihr den Haftbefehl verkündete. Nach der Anhörung durch den Richter habe Zschäpe gemeint, sie habe sich nicht gestellt, um nicht auszusagen, erinnerte sich der BKA-Mann. Sie habe auch betont, sich nicht von einem Anwalt der rechten Szene vertreten lassen zu wollen. Und: Es seien ihr, Mundlos und Böhnhardt klar gewesen, dass sie irgendwann erwischt würden. Zschäpe habe gesagt, sie habe Mundlos und Böhnhardt versprochen, "falls sie nicht mehr nach Hause kommen", rufe sie die Eltern der beiden an, sagte der BKA-Beamte.
Bei der richterlichen Vernehmung in Karlsruhe hatte sich Zschäpe jedoch nicht zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft geäußert. Sie habe nur gesagt, sie sei "ein Faktenmensch, der auf der Basis von Fakten Entscheidungen trifft", berichtete der BKA-Mann. Zschäpe habe "ziemlich emotionslos" über sich ergehen lassen, dass der Richter alle zehn Mordtaten des NSU verlas. Auch als der Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zur Sprache kam, "gab es keine Tränen", sagte der Polizist.
Am 26. November 2011 suchte der Beamte Zschäpe in der JVA Köln-Ossendorf auf. Er brachte ihr eine Brille mit, die sie bei der Festnahme am 8. November abgegeben hatte. Der BKA-Mann wollte auch ansprechen, was mit den Sachen geschehen solle, die nach dem Brand im Zwickauer Haus noch im weitgehend unbeschädigten Keller des Trios gestanden hatten. Zschäpe habe sich über die Frage gewundert, sagte der Beamte. Sie sei der Meinung gewesen, man habe kein Eigentum an Gegenständen, die mit geraubten Geldern erworben wurden.
Trotz all dieser Äußerungen gelang es dem BKA-Mann nicht, Zschäpe zu bewegen, "reinen Tisch zu machen", wie er es ihr vorschlug. Sie sei ihm gegenüber in der JVA "sehr kontaktfreudig" aufgetreten, habe aber nur reden wollen, solange es nicht um die Tatvorwürfe ging.
Der Zeuge erinnerte sich auch noch an einen Spruch Zschäpes, den er in einem Vermerk festhielt. Jetzt, wo sie nicht mehr im Untergrund leben, könne sie ruhiger schlafen, habe sie ihm gesagt.
Frank Jansen