Krieg in Syrien: Baschar al Assad hat allen Grund zur Freude
Syriens Präsident können inzwischen auch Raketenangriffe der USA nicht mehr erschüttern. Ist eine Zukunft ohne ihn überhaupt noch möglich?
Der syrische Präsident Baschar al Assad fühlt sich nach den westlichen Raketenangriffen auf sein Land stärker als zuvor. Russische Waffen aus den 1970er Jahren hätten ausgereicht, um die angeblich so modernen amerikanischen Raketen abzuwehren, sagte Assad einer russischen Parlamentarier-Delegation, die ihn nach dem Militärschlag in Damaskus besuchte. „Jetzt können wir sehen, wer wirklich rückständig ist.“ Assad sei ausgesprochen gut gelaunt gewesen, berichteten die russischen Besucher. Ein Blick auf die Lage im Land und die außenpolitischen Rahmenbedingungen nach sieben Jahren Bürgerkrieg zeigt, dass er allen Grund dafür hat: Eine Nachkriegs-Zukunft für Syrien ohne Assad erscheint derzeit unwahrscheinlich.
Wie funktioniert das System Assad?
Die guten Aussichten für Assad haben mehrere Gründe. Ein wichtiger liegt in der Innenpolitik. Der 52-jährige Sohn des langjährigen syrischen Machthabers Hafez al Assad ist gelernter Augenarzt und war ursprünglich nicht für die Übernahme der Regierungsgeschäfte in Damaskus vorgesehen. Erst der Tod seines Bruders Bassel bei einem Verkehrsunfall im Jahr 1994 machte Baschar zum Kronprinzen des Assad-Clans. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 2000 führt Assad das Land mit harter Hand, anfängliche Hoffnungen auf Reformen verflüchtigten sich schnell.
Die Assads haben den Staat in den vergangenen Jahrzehnten ausgehöhlt, Institutionen haben keine Bedeutung. Nur die Beziehungen zur Herrscherfamilie zählen, ein kleiner Machtzirkel kontrolliert alle wichtigen Funktionen, Andersdenkende werden brutal verfolgt. Auch deshalb eskalierte die Lage in Syrien nach dem Volksaufstand von 2011 schnell. „In Tunesien etwa gab es Strukturen, die den Staat zusammenhielten“, sagt der syrische Politologe Ibrhaim al Assil, der beim Middle East Institute in Washington arbeitet. Diese Strukturen fehlten in Syrien.
Wie bereitet sich Assad auf die Zeit nach dem Krieg vor?
Derzeit legt Assad die Fundamente für die Zeit nach dem Bürgerkrieg. So ermöglicht ein neues Gesetz die Enteignung von Flüchtlingen. Angesichts von 5,5 Millionen Syrern im Ausland und 6,5 Millionen weiteren Menschen, die in Syrien selbst auf der Flucht sind, könnte die Assad-Regierung schon bald viele Immobilien und Ländereien einziehen, um auf diese Weise ihre Unterstützer zu belohnen und den Wiederaufbau zu finanzieren.
Allerdings ist nach derzeitigem Stand nicht zu erwarten, dass Assad das gesamte Staatsgebiet Syriens wieder unter seine Kontrolle bringen kann. Östlich des Euphrat haben kurdisch beherrschte Milizen unter dem Schutz der USA die Kontrolle über viele Gebiete übernommen, aus denen der Islamische Staat (IS) vertrieben worden ist. Im Norden stehen zudem türkische Truppen; Ankara ist nicht bereit, die eroberten Gebiete an Assad zu übergeben. Dennoch ist Assad ein Gewinner des Krieges: Zu Beginn des Krieges vor sieben Jahren wurde allgemein mit einer Entmachtung des Präsidenten gerechnet.
Warum ist die Rolle Russlands so entscheidend?
Sein politisches Überleben verdankt Assad besonders Russland. Der Kriegseintritt Moskaus vor drei Jahren rettete die Führung in Damaskus, die damals mit dem Rücken an der Wand stand. Wladimir Putin hat Russland auf diese Weise wieder zu einer Schlüsselmacht im Nahen Osten gemacht; schon im Kalten Krieg gehörte Syrien zu den Verbündeten der Sowjetunion.
Anders als Russland scheut der Westen vor einem massiven militärischen Engagement in Syrien zurück. Die USA beschränken sich auf den Kampf gegen den IS und streben nicht den Sturz der Assad-Regierung an. Die syrische Opposition ist zersplittert, durch die Aktivitäten islamistischer Extremisten teilweise diskreditiert und zu schwach, um Assad gefährlich werden zu können. Der Kreml will die Rebellen in ihren letzten verbleibenden Hochburgen im Nordwesten Syriens bekämpfen und anschließend eine Nachkriegsordnung unter Assad einrichten.
Putin geht es dabei nicht um den syrischen Präsidenten persönlich. Doch in Syrien gibt es schlicht keine andere Führungsfigur, die einflussreich genug ist, um den Staat zu leiten, und zudem Russland treu ergeben ist. So wurde jetzt bekannt, dass Assad 2017 seine drei Kinder in den Ferien in einen russischen Urlaubsort am Schwarzen Meer schickte. Nach Angaben des syrischen Botschafters in Moskau lernen Assads Tochter Zein (14) und die Söhne Hafez (16) und Karem (13) Russisch. Andere syrische Eltern nennen demnach ihre Kinder inzwischen „Putin“.
Wie wichtig ist der Iran?
Neben Russland hilft die schiitische Regionalmacht Iran entscheidend bei der Erhaltung des Assad-Regimes. Teheran hat viel Geld und Personal in den Bürgerkrieg gesteckt. Der Iran will auf diese Weise der aus seiner Sicht drohenden Einkreisung durch sunnitische und pro-westliche Kräfte – die Türkei und die Golf-Araber im Westen und Südwesten, Afghanistan im Osten – entgehen.
Im Gegenzug für dieses Engagement erwartet Teheran die Zustimmung der Syrer zum Aufbau einer schiitischen Landbrücke vom Iran über den Irak und Syrien bis nach Libanon am Mittelmeer. Schon jetzt gibt es viele Anzeichen dafür, dass sich iranische Truppen und pro-iranische Milizen wie die libanesische Hisbollah im syrischen Grenzgebiet zu Israel festsetzen. Der jüdische Staat reagiert darauf mit verstärkten Luftangriffen.
Die Allianz zwischen dem Iran und Russland könnte auch nach dem Ende des Syrien-Krieges weiter Bestand haben. Russen und Iraner wollen den amerikanischen Einfluss in der Region zurückdrängen. Christopher Kozak von der Denkfabrik ISW in Washington spricht deshalb von einer „strategischen Konvergenz“ russischer und iranischer Interessen. Assad könnte der Nutznießer dieses Bündnisses sein.
Welche Rolle spielt die Türkei?
Als wirtschaftlich und militärisch stärkster Nachbar Syriens strebt die Türkei wie die von ihr unterstützten Oppositionsgruppen bisher einen Sturz von Assad an. Ankara favorisiert einen Wechsel zu einer von der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit beherrschten Regierung in Syrien. Präsident Recep Tayyip Erdogan begrüßte deshalb die westlichen Raketenangriffe vom Wochenende. Allerdings ist auch die Türkei in Syrien auf die Zusammenarbeit mit Russland und dem Iran angewiesen und fordert die Ablösung Assads deshalb weniger laut als noch vor einigen Jahren.
Die Allianz seines Landes mit Russland bestehe auch nach den westlichen Raketenangriffen fort, sagte der türkische Außenminister Mevüt Cavusoglu bei einem Besuch von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Ankara. Cavusoglu reagierte damit auf die Bemerkung des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, die Raketenangriffe hätten einen Keil zwischen Ankara und Moskau getrieben. Die Stellungnahme des türkischen Ministers zeigt, dass die Türkei wegen ihrer Eigeninteressen beim Kampf gegen die Kurden im Norden Syriens zumindest vorerst bereit ist, an der Seite Russlands zu bleiben. Auch das verbessert Assads Aussichten auf einen Machterhalt zumindest in einem syrischen Rumpfstaat im Süden und Westen des Landes.
Was kann Nato-Generalsekretär Stoltenberg in der Türkei erreichen?
Erdogans Bündnis mit Putin hat im Westen die Sorgen von einer Abwendung der Türkei von den USA und Europa ausgelöst. Die Türkei will ein russisches Raketenabwehrsystem kaufen und lässt ihr erstes Atomkraftwerk von russischen Firmen bauen. Ankara betont, die Zusammenarbeit mit Moskau sei kein Gegensatz zur türkischen Mitgliedschaft in der Nato und zur Westbindung des Landes, sondern eine Ergänzung.
Gleichzeitig wirft die Türkei ihren westlichen Verbündeten aber vor, sie ließen sie bei der Bekämpfung des Terrorismus allein; dabei verweist Ankara unter anderem auf den Asylstatus türkischer Regierungsgegner in Europa. Stoltenbergs Besuch am Montag diente unter anderem dazu, die Spannungen innerhalb der westlichen Allianz abzubauen.
Im Syrien-Konflikt selbst ist die Nato lediglich Zuschauerin. Stoltenberg rechtfertigte zwar den amerikanisch-französisch-britischen Militärschlag gegen Chemiewaffen-Einrichtungen in Syrien als notwendige Maßnahme gegen den Einsatz dieser verbotenen Waffen. Doch anders als im Bürgerkrieg in Libyen im Jahr 2011, als die NATO eine Militärintervention gegen den damaligen Staatschef Muammar Gaddafi führte, denkt das westliche Bündnis in Syrien nicht an ein Eingreifen.