Kongresswahlen in den USA: Barack Obama droht die Totalblockade
Die Republikaner haben die Kongresswahlen in den USA gewonnen. Jetzt sind Repräsentantenhaus und Senat in republikanischer Hand. Für Präsident Barack Obama brechen zwei schwere Jahre an.
Am frühen Dienstagabend hofft Steve Israel noch auf Siege in Florida, Nebraska, Kalifornien, Iowa und Arkansas. Der Chef der Demokraten steuert in der Parteizentrale in Washington in der Nähe des Kapitol die letzten Anstrengungen seiner freiwilligen Wahlhelfer, per Telefon noch Wähler zu mobilisieren. Weiter westlich im Land haben die Wahllokale der Zeitverschiebung wegen da noch geöffnet. In den Tagen vor der Wahl galten noch neun Staaten als enges Rennen. „Rufen Sie weiter an“, ruft er den Helfern zu, während sich die Landkarte ganz allmählich rot färbt.
Gegen zwanzig Uhr Ostküstenzeit, in Deutschland ist es schon zwei Uhr nachts, fällt der erste bisher demokratisch gehaltene Senatsbezirk. In West Virginia geht der Sieg an die republikanische Kandidatin Shelley Moore Capito. Nur sechs Sitze müssen die Republikaner den Demokraten bei den Halbzeitwahlen zum US-Kongress aus der Hand nehmen, um die Kontrolle im Senat zu erlangen. Zu ihren bisher 45 Sitze reichen den Konservativen diese sechs für eine Mehrheit. Auch wenn ein endgültiges Ergebnis in dieser Nacht nicht feststehen wird, alles sieht nach einem Kongress aus, in dem Oberhaus und Unterhaus republikanisch dominiert sein werden. Totalblockade in den USA. Präsident Barack Obama hat noch am Wahlabend die Führungen von Republikanern und Demokraten aus Haus und Senat zu einer Besprechung am Freitag ins Weiße Haus eingeladen. Die neuen Verhältnisse besprechen. Dass das Repräsentantenhaus wieder an die Republikaner gehen würde, stand ohnehin nicht in Zweifel.
Wirtschaftliche Lage die größte Sorge
Die Republikaner gewinnen Senatsrennen in Maine, in Tennesse, in Mississippi. Florida bleibt eng. Ein Richter dort hat eine längere Öffnung der Wahllokale abgelehnt, trotz langer Schlangen Wahlwilliger noch am Abend. Michigan und Delaware färben sich blau. Dann kommt die Meldung aus Arkansas. Auch ein zweiter demokratisch gehaltener Senatssessel geht an die Republikaner. Um 21 Uhr Ortszeit führen die Republikaner den Erhebungen zufolge schon mit 43 zu 40 Senatssitzen. Auch South Dakota scheint an die Republikaner zu fallen. Alle Augen richten sich jetzt auf North Carolina.
78 Prozent der Wähler haben in den Nachwahlbefragungen angegeben, die wirtschaftliche Lage sei für sie die größte Sorge. Es folgen die Krankenversicherung und weit abgeschlagen Außenpolitik und Einwanderung. Da die US-Wirtschaft leidlich stabil und die Krankenversicherung zumindest stabilisiert sind, hätte man zumindest dadurch gewissen positiven Effekt für die Demokraten annehmen können. Aber die Wähler sind mit US-Präsident Obama ebenso unzufrieden wie mit der Arbeit des Kongresses. Und drei Viertel der Befragten fürchtet eine Verdunklung der wirtschaftlichen Entwicklung.
Gegen 22 Uhr atmen die demokratischen Strategen zum ersten mal durch. In New Hampshire verteidigt Jeanne Shaheen den Senatssitz für die Partei. Illinois, Heimatstaat von Präsident Obama, geht in die Demokraten. In North Carolina gibt sich Senatorin Kay Hagan zumindest noch nicht geschlagen. Und aus Colorado stehen die Ergebnisse noch aus. Die Meldung aus Montana aber folgt wenig später. Republikaner Steve Daines nimmt den Demokraten nach den bis dahin vorliegenden Ergebnisse auch diesen Senatssitz ab. 46 zu 42 steht es in der Nacht. Noch vor elf Uhr folgt dann der vermutlich entscheidende Schlag für die Demokraten: Übernahme Nummer fünf der Republikaner. Auch Colorado fällt. Amtsinhaber Mark Udall verliert überraschend deutlich gegen Cory Gardner.
Rückschlüsse auf Präsidentschaftswahl 2016
Ausgerechnet Colorado. Der Bundesstaat mit seiner wachsenden Latino-Bevölkerung gilt nach den Wahlsiegen Barack Obamas als eines der Testfelder für die demokratische Präsidentschaftsfähigkeit. Dann kippt auch North Carolina. Übernahme Nummer sechs macht den Wahlsieg der Republikaner komplett. Das endgültige Ergebniss wird erst nach einer Stichwahl in Louisiana am 6. Dezember feststehen. Aber auch dort sieht es nach einem republikanischen Sieg aus.
Am Mittwoch werden die demokratischen Analysten in die Tiefen der Wahlverluste einsteigen. Sie wollen Rückschlüsse gewinnen für das, was jetzt bald beginnt: Der Präsidentschaftswahlkampf 2016.
Steve Israel steht im Hauptquartier der Demokraten und versucht sich an einer ersten Erklärung. „Ich bin während des Wahlkampfs jeden Morgen mit einer Zahl im Kopf aufgewacht“, sagt Israel: „29.“ 29 Sitze haben amerikanische Präsidenten im Schnitt nach sechs Jahren Amtszeit verloren. „Bei uns sind es keine 29“, sagt Israel, was so viel heißen soll wie: im historischen Vergleich liegen wir gar nicht so schlecht.
Barbara Junge