Italien: Bankenpleiten und Flüchtlinge - Matteo Renzi muss sich behaupten
Manneskraft und Unterhose - die Angst vor einer neuen Bankenkrise und die Flüchtlingskrise bringen Italiens Premier Renzi in die Bredouille.
Der Mann in der Unterhose und ein politischer Rückzieher Matteo Renzis – was haben sie miteinander zu tun? Zunächst: Beides sieht man nicht eben häufig im öffentlichen Fernsehen.
Italiens Premier ist in die Bredouille geraten. Um sich etwas Luft zu verschaffen, hat er den Typ in der Unterhose zur öffentlichen Jagd ausgeschrieben und – genauso applausträchtig – seinen sonst so forschen Kurs ein wenig nachjustiert bei denen, die sich am wenigsten wehren können: bei den Flüchtlingen.
Dabei lief’s zunächst recht gut für den 41-jährigen Regierungschef. Renzi hat ungeahnte Reformen durchgesetzt: Die eine Parlamentskammer, der Senat, hat soeben die Verfassungsänderung zur eigenen Entmachtung definitiv beschlossen – was den Gesetzgebungsprozess vereinfacht und beschleunigt; dank der Änderungen beim Arbeitsrecht sind 510 000 unbefristete Vollzeitjobs entstanden. Der private Konsum gerade um die Weihnachtszeit – als Gradmesser für die Stimmung im Volk – hat nach Jahren wieder zugelegt.
Doch seit ein paar Tagen ist alles anders. Wieder grassieren Existenzängste. An der Mailänder Börse sind die Banktitel stärker gefallen als andere. Beim Zusammenbruch von vier Volksbanken haben mehr als 12 000 ganz konkrete italienische Kleinanleger alle ihre Ersparnisse verloren. Mit den Meldungen von der Börse greift so etwas wie Panik um sich. Aus Siena, von der Symbol- und Traditionsbank Monte dei Paschi, wird berichtet, Anleger zögen ihr Geld ab. Da können Bankmanager, Analysten und Regierung noch so einhellig versichern, gerade der Monte dei Paschi sei „brillant“ saniert worden und das italienische Bankensystem befinde sich „in solidem Zustand“ – nach Ansicht von Kommentatoren aber ist nun ein Kreislauf von Krisenängsten in Gang gesetzt, der „zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ werden könnte. Renzis Nervosität ist auch gestiegen, weil Kommunalwahlen anstehen.
Wer ist der Mann in der Unterhose?
Zu stranden droht auch eines der am lautesten vorgetragenen „Modernisierungsprojekte“: die gesetzliche Anerkennung nichtehelicher, womöglich auch gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Eine „moralische Mehrheit“ Italiens – an der Spitze die katholische Bischofskonferenz – hat sich gegen die Regierung verbündet. Und da ist vor allem die von Renzis rechten Gegnern zu Hetzparolen umformulierte Angst vor einer unbegrenzten Flüchtlingswelle. Um sich den Widrigkeiten entgegenzustellen, teilt Renzi aus. Mit der EU-Kommission liefert er sich einen Streit, in dem – so Präsident Jean-Claude Juncker in feinerer Ironie – „recht männliche und manneskräftige Worte“ geflogen sind. Gegenüber Brüssel will sich Renzi von seinen innenpolitischen Gegnern nicht die Populismus-Butter vom Brot nehmen lassen. Dann korrigiert er in der Ausländerpolitik seinen liberalen Kurs: Anders als vom Parlament längst beschlossen will er den Straftatbestand der „illegalen Einwanderung“ doch nicht löschen.
Jetzt kommt der Mann mit der Unterhose ins Spiel: Im konkreten Fall handelt es sich um einen Angestellten der Stadtverwaltung von San Remo, der – im Haus seiner Behörde wohnend – morgens am Stechkartenautomat seinen Dienstbeginn gestempelt hat und dann, genauso nonchalant, wieder in die Privatgemächer entschwunden ist. Mit versteckter Kamera hat die Finanzpolizei den Mann gefilmt und das Video veröffentlicht. Renzi hat diesen in Italiens Verwaltung weit verbreiteten Typen den Kampf angesagt. Wer ertappt wird, soll innerhalb von 48 Stunden suspendiert werden; auch laxe Behördenchefs verlieren ihren Job. Das Volk ist begeistert.