Politik: Balten: Putin muss die Wahrheit sagen
Staatschefs wollen nicht in Moskau des Kriegsendes gedenken, wenn Russland eigene Schuld verschweigt
Berlin/Brüssel/Moskau - Unter mehreren Staatschefs in Mittel- und Osteuropa regt sich Widerstand gegen die Einladung des russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau zum 60. Jahrestag des Kriegsendes am 9. Mai. Die lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga will nur nach Moskau reisen, wenn sie dort mit dem „unerhörten Gedanken einer Befreiung des Baltikums“ aufräumen kann. Der 9. Mai, an dem in Russland traditionell des Kriegsendes gedacht wird, sei „kein Tag der Freude“. In Litauen steht die Teilnahme des Präsidenten Valdas Adamkus in Frage. Der britische Premier Tony Blair zögert nach Informationen des Tagesspiegels, Putins Einladung anzunehmen, USPräsident George W. Bush will dagegen kommen. Deutsche EU-Parlamentarier rufen Kanzler Gerhard Schröder auf, nicht teilzunehmen, sofern Russland sich nicht zu seiner Verantwortung für den Überfall auf Polen und die rechtswidrige Annexion der baltischen Staaten bekenne. Polens Ex-Außenminister Bronislaw Geremek äußerte sich ähnlich.
Im EU-Parlament haben Litauens ExPräsident Vytautas Landsbergis, Geremek und der ehemalige Außenminister Estlands, Toomas Hendrik Ilves, eine Erklärung zum Gedenken an den Krieg initiiert: Die Rote Armee sei 1939 in Polen einmarschiert, habe dann Finnland attackiert und schließlich den baltischen Staaten die Unabhängigkeit geraubt. „Versöhnung ist nur auf der Basis der historischen Wahrheit möglich“, heißt es. Geremek sagte: „Wenn am 9. Mai nicht die ganze historische Wahrheit zur Sprache kommt, kann das Gedenken zu nichts Gutem führen. Wer die Wahrhaftigkeit der politischen Konjunktur unterwirft, gefährdet die Zukunft Europas.“ Er wolle Schröder aber keine Ratschläge geben.
Der EU-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sagte, Schröder dürfe „nicht nach Moskau reisen, solange Putin sich nicht eindeutig zu Russlands Mitverantwortung für den Hitler-Stalin-Pakt, den Überfall auf Polen, der völkerrechtswidrigen Annexion der baltischen Staaten und den stalinistischen Verbrechen an den Völkern Osteuropas bekennt“.
Der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler sagte, es sei „nicht angemessen, dass Staats- und Regierungschefs am 9. Mai nach Moskau fahren, weil Russland sich nicht kritisch mit der eigenen Geschichte und der Unterdrückung der Völker Ostmitteleuropas auseinander setzt und bis heute an der Geschichtslegende strickt, die baltischen Staaten seien freiwillig der Sowjetunion beigetreten“. Polens Ex-Außenminister Wladyslaw Bartoszewski sagte: „Ich kann die Balten sehr gut verstehen. Polen wurde 1945 ein Satellitenstaat Moskaus, die Balten wurden ihrer Souveränität total beraubt. Für sie war das Kriegsende keine Befreiung.“
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