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Thilo Sarrazin stellt bei einer Pressekonferenz sein neues Buch vor.
© Kay Nietfeld/dpa

SPD: Ausschluss Sarrazins: Hohes Risiko, geringer Nutzen

In der SPD gibt es Zweifel am Sarrazin-Ausschluss. Zwei Ordnungsverfahren hat der Berliner Ex-Finanzsenator bereits unbeschadet überstanden.

„Das Risiko ist sehr hoch, der Gewinn nahezu Null.“ Das sagte der ehemalige Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude über das Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin. Am Montag hatte der SPD-Vorstand beschlossen, den Berliner Ex-Finanzsenator aus der Partei werfen zu lassen. Der habe der SPD „schweren Schaden“ zugefügt und vertrete in seinen Büchern Thesen, „die mit den Grundsätzen der SPD unvereinbar sind“, erklärte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Ude kann das grundsätzlich nachvollziehen. „Ich halte die Bücher für unerträglich“, sagte er am Dienstag dem Tagesspiegel. Dennoch sei es „nicht wirklich weise“ vom Vorstand, juristisch gegen den Ex-Senator vorzugehen. „Sollte das Verfahren gegen Sarrazin scheitern, wäre das für die SPD-Spitze ein kraftvolles Eigentor“, meint Ude.

Fachjuristen halten einen Parteiausschluss für schwierig. Er sei „das härteste Mittel in einem Ordnungsverfahren“, sagt Sebastian Roßner, Rechtsanwalt in Köln und Experte für Parteienrecht. Zwei Voraussetzungen fordere das Parteiengesetz: Das Mitglied müsse vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstoßen haben. Und der Partei müsse schwerer Schaden zugefügt worden sein – „und zwar genau durch den Verstoß des Mitglieds“, sagt Roßner.

Wenn es wie nun bei Sarrazin um das politische Verhalten des Mitglieds geht, sei der Schaden „schwer zu belegen“. Die SPD könne etwa argumentieren, der Schaden bestehe darin, dass durch Sarrazins Thesen der Eindruck entstanden sei, die Partei vertrete kein einheitliches Menschenbild oder sei inhaltlich nicht geschlossen. „Generell geht es bei einem ‚politischen Schaden’ darum, dass die Partei, gemessen an ihren selbstgesetzten Zielen, durch das Verhalten des Mitglieds an politischen Durchsetzungschancen verliert“, meint der Parteienrechtler. Da dies meist nicht sicher nachgewiesen werden könne, sehe man in Verfahren „eine plausible Schätzung“ als ausreichend an.

Sarrazin zeigt keine Bereitschaft nachzugeben

Bei einigen Genossen wächst die Sorge, dass das Ordnungsverfahren Sarrazin als kostenlose Werbung für seine Bücher nutzen werde – und der Partei schaden könnte. Der Streit könnte sich noch jahrelang hinziehen, wenn Sarrazin hart bleibt und den Zwist von der Kreis- hinauf bis zur Bundesebene austrägt. Bislang hat er keine Bereitschaft gezeigt, nachzugeben. Schon zwei Ordnungsverfahren hat Sarrazin unbeschadet überstanden. „Dem macht das doch Spaß“, sagt ein Berliner Sozialdemokrat, der Sarrazin gut kennt.

Gut möglich, dass der auch außerparteiliche Gerichte anruft – bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Juristische Schritte behält sich der Ex-Finanzsenator ausdrücklich vor. Zunächst wolle er aber darauf warten, offiziell von seiner Partei über das Verfahren informiert zu werden, sagte Sarrazin am Montag. Das muss laut Satzung postalisch geschehen. Im Willy-Brandt-Haus wird gerade an einem Antrag gearbeitet, der sobald wie möglich an die Schiedskommission im Berliner Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf gehen soll. Dort ist Sarrazin Mitglied. Anschließend hat die Kommission sechs Monate Zeit, die mündliche Anhörung zu planen.

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