Gewalt gegen Christen: Ausnahmezustand in Ägypten angekündigt - Auswärtiges Amt warnt vor Terrorrisiko
Bei Anschlägen zu Beginn der Karwoche gegen die christliche Minderheit in Ägypten sterben mehr als 40 Menschen, über 100 werden verletzt. Der IS bekennt sich - und droht mit neuen Anschlägen.
Das Auswärtige Amt hat nach den Anschlägen auf zwei koptische Kirchen auf das Terrorrisiko auch für Ausländer in Ägypten hingewiesen. „Es besteht landesweit ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge und die Gefahr von Entführungen. Diese können sich auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger richten“, teilte das AA am Montag in Berlin mit. Bei Reisen nach Ägypten einschließlich der Touristengebiete am Roten Meer werde generell zu Vorsicht geraten.
Die Vereinten Nationen haben die verheerenden Anschläge auf christliche Kirchen in Ägypten scharf verurteilt. Es handele sich um abscheuliche und feige Terrorattacken, erklärte der UN-Sicherheitsrat am Sonntag (Ortszeit) in New York. Anschläge wie in Ägypten seien eine der ernsthaftesten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, heißt es in einer Stellungnahme des UN-Gremiums.
Am Sonntag waren bei den schwersten Terrorangriffen auf die christliche Minderheit in Ägypten seit Jahren mehr als 40 Menschen getötet und weitere 110 verletzt worden. Selbstmordattentäter hatten Anschläge auf zwei koptische Kirchen im Norden des Landes verübt. Präsident Abdel Fattah al-Sisi kündigte am Sonntag für die nächsten drei Monate den Ausnahmezustand an.
Die ägyptische Regierung sprach von Terror: „Der Terrorismus trifft Ägypten erneut, dieses Mal an Palmsonntag“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Ahmed Abu Seid, auf Twitter. Es sei eine weitere widerwärtige Tat gegen alle Ägypter. Im Internet kursierende und im Fernsehen ausgestrahlte Videos zeigten einen blutverschmierten Boden. Die staatliche Nachrichtenseite Al-Ahram zitierte Augenzeugen, wonach sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt haben soll.
An dem christlichen Feiertag war die Kirche St. Georg in der nordägyptischen Stadt Tanta zur Messe gut besucht. Sie ist dem Staatsfernsehen zufolge das größte christliche Gotteshaus der Region im Nildelta. Sicherheitskräfte hätten den Tatort weitgehend abgesperrt. Tanta hat mehrere Hunderttausend Einwohner und liegt etwa 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kairo.
Wenige Stunden nach dem ersten Anschlag gab es nach offiziellen Angaben eine weitere Explosion vor einer Kirche. Bei dem Anschlag auf eine Kirche im ägyptischen Alexandria sind nach Angaben der Behörden 16 Menschen getötet worden. Das teilte das Gesundheitsministerium mit. 41 Menschen seien verwundet worden. Die staatliche Zeitung „Al-Ahram“ berichtete, die Explosion außerhalb des koptischen Gotteshauses St. Markus sei durch einen Selbstmordattentäter verursacht worden, der zuvor am Einlass in die Kirche gehindert worden sei.
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" reklamierte die Anschläge für sich und nannte die Namen der beiden Angreifer. Die Explosionen in Tanta und Alexandria seien von den Dschihadisten verursacht worden, berichtete das IS-Sprachrohr Amak. Die Mitteilung konnte zunächst nicht unabhängig auf Echtheit untersucht werden. Der IS hat zuletzt in Ägypten seine Taktik geändert und nimmt verstärkt Christen ins Visier.
Zum Schutz wichtiger Infrastruktureinrichtungen ordnete Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi den sofortigen landesweiten Einsatz von Armeeeinheiten an, die die Polizei unterstützen sollten. Der Präsident rief für die nächsten drei Monate den Ausnahmezustand aus. In einer Fernsehansprache am Abend erklärte Al-Sisi: „Die Auseinandersetzung mit den Terroristen wird lang und schmerzhaft sei.“ Er warf anderen Ländern vor, den Terrorismus in Ägypten zu unterstützen - nannte aber kein bestimmtes Land.
Anteilnahme aus Deutschland
Die Bundesregierung hat ihr Mitgefühl ausgedrückt. „Wir trauern mit #Kopten + allen Ägyptern um die Opfer des Anschlags an diesem Palmsonntag“, twitterte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi kondoliert. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die Anschläge scharf.
Auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, verurteilte den Terroranschlag in Tanta. „Die schreckliche Tat, durch die viele Menschen getötet und verletzt wurden, bringt unsagbares Leid über die Opfer und ihre Familien. Ihnen gilt unser Mitgefühl“, erklärte Kauder in Berlin. „Den koptischen Christen drücke ich unsere Anteilnahme und Solidarität aus.“ Dass sich die Täter den christlichen Palmsonntag, den Beginn der Karwoche, als Zeitpunkt der Tat ausgesucht haben, steigere den Schock über diese feige Tat noch mehr. „Wir erwarten von der ägyptischen Regierung, dass sie alles tut, um die koptischen Christen zu schützen.“ Den Attentätern dürfe es nicht gelingen, die ägyptische Gesellschaft zu spalten.
Nach den beiden Anschlägen auf koptische Christen hat die Europäische Union Ägypten Solidarität im Kampf gegen den Terror zugesichert. „Die Verantwortlichen für die Angriffe müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Sonntag in Brüssel. Sie erinnerte daran, dass Palmsonntag einer der heiligsten Tage für Christen in aller Welt sei, und fügte hinzu: „Gläubige sollten immer in Frieden beten können, egal, woran sie glauben.“
Papst will Ende April nach Kairo kommen
Christen machen in Ägypten zehn Prozent der etwa 94 Millionen Einwohner aus. Sie können ihre Religion weitgehend frei ausüben und leben größtenteils friedlich mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit zusammen. Es gibt allerdings vereinzelt Spannungen, vor allem in den ländlichen Gebieten.
Bei einem schweren Bombenanschlag auf eine Kirche in Kairo im Dezember waren fast 30 Menschen getötet worden. Damals bekannte sich die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu der Tat. Ein Ableger des Islamischen Staates treibt im Nordsinai in Ägypten sein Unwesen und kündigte in Propagandavideos Angriffe auf Christen an.
Im Februar flohen Hunderte ägyptische Christen aus dem Norden der unruhigen Sinai-Halbinsel. Vorangegangen war eine Mordserie an Mitgliedern der religiösen Minderheit, hinter der der IS vermutet wurde.
Mit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi 2013 hatten die Angriffe gegen Christen in dem Land zeitweise zugenommen. Unter Mursis Nachfolger, dem autoritären Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, beruhigte sich die Lage wieder etwas.
Für Ende April ist der Besuch von Papst Franziskus in Kairo angekündigt. (mit dpa/AFP/Reuters)