Rückkehrer im Kosovo: Aus Deutschland abgeschoben - ohne Perspektive
Sie kommen aus dem Kosovo mit großen Hoffnungen nach Deutschland - und werden zu Tausenden wieder zurückgeschickt. Aber zu Hause haben die zumeist jungen Kosovaren keine Perspektive. Der deutsche Entwicklungsminister versucht nun, Ausbildungsprogramme auf den Weg zu bringen.
Auf dem Mutter-Theresa-Boulevard, der Flaniermeile von Pristina, sind am frühen Nachmittag fast nur Jugendliche unterwegs. Sehr viele Jugendliche - mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Kosovo ist jünger als 25 Jahre. Zwei Drittel der jungen Leute haben keine Arbeit, nicht einmal eine Ausbildung. Und damit praktisch keine Perspektive.
Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist am Mittwoch zum ersten Mal ins Kosovo gereist. Mit der Regierung des Kleinstaates, der sich 2008 von Serbien unabhängig machte, wollte er unter anderem über den Ausbau der von Deutschland finanzierten Ausbildungsprogramme im Kosovo sprechen. Auch eine Initiative für Rückkehrerhilfen hatte er im Gepäck. Denn allein in den ersten vier Monaten des Jahres kamen fast 28.000 Kosovaren nach Deutschland und beantragten Asyl. Sie stellten in diesem Zeitraum gut 25 Prozent aller Asylbewerber. "Sie haben aber keine Chance auf Anerkennung", sagt Müller. Asylanträge von Kosovaren werden nun mit Priorität bearbeitet, die abgelehnten Bewerber dann möglichst schnell abgeschoben.
Professionelle Schlepper hatten im Kosovo verbreitet, Flüchtlinge aus dem Balkanland bekämen in Deutschland 5000 Euro Begrüßungsgeld, eine Wohnung und Arbeit. Die deutsche Botschaft in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, schaltete Zeitungsanzeigen, um die falschen Versprechen richtig zu stellen. Inzwischen ist die Fluchtwelle abgeebbt, denn es hat sich herumgesprochen, dass Kosovaren auch in Deutschland keine Perspektive haben.
In Pristina, von wo aus in den vergangenen Monaten täglich um die 1000 Menschen mit Bussen über Serbien und Ungarn nach Westeuropa reisten, kommen jetzt Flugzeuge aus Deutschland und Busse aus Ungarn mit den Rückkehrern an. Viele haben vor ihrer Abreise alles verkauft und stehen vor dem Nichts. "Wir wollen diese Menschen nicht allein lassen", erklärt Müller. Gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Bundesagentur für Arbeit sollen im Kosovo Anlaufstellen für Rückkehrer und eine Arbeitsvermittlung nach deutschem Vorbild eingerichtet werden. Auch eine finanzielle Unterstützung verspricht der Minister.
Ein kleineres Rückkehrerprojekt gibt es schon seit Jahren. Viel bewirkt hat es allerdings nicht, denn das Grundproblem der Heimkehrer ist weder mit Geld noch mit guten Ratschlägen zu beheben: Im Kosovo gibt es kaum Arbeitsplätze. 34 Prozent der 1,7 Millionen Kosovaren leben in Armut. Am Donnerstag weihte Müller daher außerdem ein Zentrum ein, in dem sich Kosovaren über legale Zuwandermöglichkeiten nach Deutschland informieren können.
"Die Bilanz nach 15 Jahren Entwicklungszusammenarbeit ist ernüchternd", sagt Müller. Seit dem Ende des Krieges gegen Serbien hat das Kosovo allein aus Deutschland fast eine halbe Milliarde Euro Aufbauhilfe erhalten. Eine große UN-Mission übernahm zunächst die Verwaltung der abtrünnigen serbischen Provinz, nun sind fast 2000 Polizisten, Richter, Anwälte und Zöllner aus EU-Staaten im Land, um den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen zu unterstützen.
Sehr erfolgreich sind sie nicht. Korruption sei ein großes Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung, so Müller vor Journalisten auf seiner Reise. Deutsche Unternehmen seien durchaus am Standort Kosovo interessiert. Doch Korruption und lange Genehmigungsverfahren schreckten sie ab. Auf die Frage, ob die EU, ob Deutschland zu lange weggeschaut habe und den neuen Eliten in Pristina zu viel durchgehen ließ, sagt er: "Ich weise das nicht zurück."
Müller will die Entwicklungshilfe für das Kosovo künftig stärker an Bedingungen knüpfen. "Wir werden Staatsversagen nicht mit Entwicklungshilfe kompensieren." Details dazu nannte er allerdings nicht.
Ob seine Botschaft in Pristina angekommen ist, bleibt abzuwarten. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Finanzminister Avdullah Hoti wurden jedenfalls Verständigungsschwierigkeiten deutlich. Müller sagte dem Kosovo zunächst für das laufende Jahr 29,5 Millionen Euro Entwicklungshilfe zu. 2014 waren es rund fünf Millionen weniger. Ein Teil des neuen Geldes soll laut Müller in Rückkehrerhilfen fließen. Gemeint waren abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland. Dafür wolle auch das Kosovo einen Fonds auflegen, so der Minister.
Sein kosovarischer Gastgeber hingegen sprach von Starthilfen für Kosovaren, die im Ausland ein Unternehmen gegründet hätten und in ihre Heimat zurückkehren wollten. Zahlen sollen das ausländische Geber, unter anderem die Schweiz und wohl auch Deutschland. Nun soll zunächst ein Runder Tisch Klarheit schaffen, worüber man eigentlich redet.