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Sahra Wagenknecht bleibt bis auf weiteres Chefin der Linksfraktion.
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Die Linke nach dem Rückzug von Nahles: Aus der Gefahrenzone nicht heraus

Chaos bei der SPD - und die Linke verschiebt den Machtkampf um die Wagenknecht-Nachfolge. Das verschafft ihr eine Atempause. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Meisner

Was des einen Leid, ist des anderen Freud: Die Linke erspart sich wegen der Krise der Sozialdemokraten einen neuen Machtkampf, eine gefährliche Zerreißprobe vor den für die Partei strategisch so wichtigen Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.

Denn klar ist nach wie vor nicht, wie die Lücke gefüllt werden soll, die durch den angekündigten Rückzug von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht entsteht: Wird Dietmar Bartsch die 69-köpfige Fraktion demnächst alleine führen? Bekommt er statt Wagenknecht eine neue Ko-Chefin – und falls ja, welche? Ost oder West, welcher Parteiflügel? Oder sollen ganz neue Leute an die Spitze?

Vergangene Woche noch sah es ganz danach aus, als ob sich die Linke über diese Fragen wieder zerlegen würde. Denn umstritten ist jede Variante. Und damit nicht genug: Einflussreiche Genossinnen und Genossen wollen die Parteispitze mit Katja Kipping und Bernd Riexinger, beide nun schon seit sieben Jahren im Amt, gleich mit zur Disposition stellen. Und das nach Europa- und Kommunalwahlen, die für die Partei alles andere als gut gelaufen sind und bei denen die Linke vor allem in den Ost-Bundesländern massiv verloren hat. Volkspartei im Osten – das war einmal.

Chance für Rot-Rot-Grün? Das war einmal

Zupass kommt der Linken die Krise der der SPD nicht. Ohnehin schon fehlt seit der Bundestagswahl 2017 die Mehrheit für Rot-Rot-Grün, die es bis dahin noch gab. Von dieser Option sind die potenziellen Projektpartner weiter entfernt denn je. Das wirkt auch in die Länder, zum Beispiel nach Thüringen, wo der Linken-Politiker Bodo Ramelow im Herbst mit Hilfe auch der SPD das einzige Ministerpräsidentenamt seiner Partei verteidigen möchte. Die Chancen dafür stehen schlecht. „Häme ist wirklich nicht angebracht, aber Sorge“, sagte Ramelow zum Rückzug von Andrea Nahles.
Durch die Vertagung des eigenen Machtkampfes ergibt sich für die Linke die Gelegenheit zum Innehalten. Aber viel mehr als eine Atempause ist ihr nicht vergönnt. Sie muss Antworten finden auf Fragen, bei denen es nicht nur ums Personal geht: Warum sind die Verluste bei den jüngsten Wahlen im Osten überproportional hoch gewesen? Wie lassen sich die inhaltlichen Konflikte lösen, ob nun zur Klima-, zur Flüchtlings- oder zur Europapolitik? Was lässt sich daraus ableiten, dass nicht mehr eine linkspopulistische Linkspartei die Protestwähler bindet, sondern die rechtsradikale AfD?

Das Parteiensystem ist völlig ins Rutschen geraten. Bei der Europawahl kam die Linke auf bundesweit auf 5,5 Prozent, also der Fünf-Prozent-Marke sehr nahe. Aus der Gefahrenzone ist auch sie nicht heraus.

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