Pkw-Maut: Augen zu und durch
Weil es der Koalitionsvertrag so gebietet, schickt sich die SPD an, die CSU-Maut im Kabinett durchzuwinken. Die großkoalitionäre Taktiererei der SPD ist ein Skandal, dessen Leidtragende Ausländer sind. Ein Kommentar.
Wer hätte gedacht, dass sich Sigmar Gabriel eines Tages zum Anwalt eines Projektes aufschwingen würde, das allem Anschein nach Ausländer diskriminiert? Dass er für die CSU in die Bresche springt, die gerade verzweifelt versucht, ihr Lieblingsprojekt durchs Kabinett zu bekommen? Die Rede ist von der Pkw-Maut, und das Verhalten der SPD in dieser Frage ist skandalös. In der Stunde der Not ist der Wirtschaftsminister dem Verkehrsminister beigesprungen. Während CSU-Ressortchef Alexander Dobrindt gewärtigen muss, dass die EU-Kommission ihre europarechtlichen Bedenken gegen die Pkw-Maut aufrecht erhält, legt Sigmar Gabriel ein gutes Wort für den christsozialen Kabinettskollegen ein. In aller Seelenruhe erklärt der SPD-Minister, dass seine Europarechtsabteilung zu dem Schluss gekommen sei, dass das Maut-Konzept mit Europarecht vereinbar sei. Im Klartext heißt das: Es gilt der Koalitionsvertrag, und da steht die Maut drin. Und das kann für die SPD nur bedeuten: Augen zu und durch. Das Problem ist nur, dass mit dieser Art von taktischem Handeln genau jener Politikverdruss gefördert wird, der allenthalben zu beobachten ist, in Dresden und anderswo. Die Bürger spüren sehr genau, wenn ein eigentlich sinnloses Projekt nur deshalb verfolgt wird, weil es die Koalitionsräson gebietet. Und die Maut, die unterm Strich nur Ausländer belastet, ist genau so ein Projekt. Die von Dobrindt ausgetüftelte Maut ist bestenfalls geeignet, die Instant-Aufregung über „die Ausländer“ zu dämpfen, die unsere Autobahnen kostenlos benutzen können, während in ihren Heimatländern kassiert wird – bei allen Autofahrern wohlgemerkt. Geld in den Bundeshaushalt bringt die Pkw-Maut allerdings nur begrenzt.
Die SPD schadet ihrer eigenen Glaubwürdigkeit
Nun mag man einwenden, dass dies nun eben das Wesen von Koalitionen sei: der Kompromiss, das Geben und Nehmen. Die Union bekommt die Mütterrente, die SPD den Vorruhestand. Warum soll also, mag man vor diesem Hintergrund erwägen, die CSU nicht auch die ihr im Koalitionsvertrag zugesicherte Maut erhalten? Allerdings schadet die SPD, wenn sie das Maut-Projekt nun am Mittwoch im Kabinett kommentarlos durchwinkt, ihrer eigenen Glaubwürdigkeit mehr, als sie im innerkoalitionären Machtgefüge gewinnt.
Gabriel sollte das Europarecht nicht über Gebühr strapazieren, wenn er die Machbarkeit der Pkw-Maut beschwört. Möglicherweise wird man in Berlin noch den einen oder anderen Kniff finden, um die Maut und die anschließende Verrechnung mit der Pkw-Steuer zugunsten deutscher Autofahrer möglichst weit zu entkoppeln. Murks bleibt es trotzdem. Brüssel wird jedenfalls weiter ein waches Auge auf die geplante deutsche Infrastrukturabgabe und die parallelen Steuergutschriften haben. Und vielleicht meldet sich ja auch der eine oder andere SPD-Verkehrspolitiker demnächst mit ein paar kritischen Anmerkungen zu Wort, wenn die Maut im Bundestag beraten wird.