NSU-Prozess / 185. Tag: Auftritt "Sturm 18"-Anführers
Mit Bomberjacke und Reichsadler trat am 185. Verhandlungstag im NSU-Prozess der dickschädlige Zeuge Bernd T. auf, der Anführer der Kasseler Gruppe "Sturm 18". Es wurde ein bizarrer Auftritt.
Der stämmige Mann sieht aus, als wolle er zum Casting für einen Film über rechte Schläger der neunziger Jahre. Kahl rasierter Schädel, schwarze Bomberjacke, schwarzes T-Shirt mit Reichsadler, zu sehen ist auch das Wort „Sturm“, olivgrüne Armeehose, schwarze Schnürstiefel. Bernd T. gibt am Mittwoch im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München den klassischen, eigentlich fast schon ausgestorbenen Nazi-Skinhead. Und der Anführer der Kasseler Gruppe „Sturm 18“ führt sich auch so auf. Fragen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl beantwortet der 40-Jährige patzig, erinnern will er sich an wenig. Unter den meist dreist verstockten Zeugen aus der rechten Szene, die in der Hauptverhandlung aufgetreten sind, ist Bernd T. die schrillste Figur. Mit einer hochgradig seltsamen Geschichte.
Am 15. Dezember 2011 schrieb er aus einem Gefängnis, in dem er wegen Bedrohung und Beleidigung einsaß, dem hessischen Verfassungsschutz einen Brief. Bernd T. bot Informationen über rechtsextreme Netzwerke an – sollte er so schnell wie möglich aus der Haft entlassen werden. Die hessischen Behörden zeigten sich interessiert, war doch im Monat zuvor die Terrorzelle NSU aufgeflogen und bekannt geworden, dass sie auch in Kassel einen Mord begangen hatte. Am 6. April 2006 hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den türkischstämmigen Halit Yozgat in dem von ihm betriebenen Internetcafé erschossen. Yozgat war der neunte Migrant, den der NSU tötete.
Sein markiger Ton überspielt seine Unsicherheit
Da Bernd T. als krimineller Aktivist der Szene hinreichend bekannt war, trauten Polizei und Verfassungsschutz ihm Wissen zur Tat der Terroristen zu. Erst vernahm ihn im Februar 2012 das Landeskriminalamt, im März kam das BKA ins Gefängnis. Der Skinhead erzählte, er habe im März 2006 Mundlos und Böhnhardt am Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe abgeholt. Dabei seien sie von Polizisten in Zivil fotografiert worden. Später seien Mundlos und Böhnhardt mit sieben weiteren Leuten zu einer Geburtstagsfeier gekommen, bei der die Band Oidoxie gespielt habe. Und er wisse, wer Mundlos und Böhnhardt nach Kassel eingeladen habe und wo sie übernachteten.
Bernd T. berichtete den Beamten auch, er habe zwischen 2003 und 2005 mehrfach seinen Bruder in Zwickau besucht. Bei einem Konzert in einer Garage habe er da auch Mundlos und Böhnhardt getroffen. Die beiden Terroristen wohnten seit dem Sommer 2000 gemeinsam mit Beate Zschäpe in der sächsischen Stadt.
Vor Gericht bestreitet Bernd T. nun fast alles, was ihm Richter Götzl aus den früheren Aussagen vorhält. Er kenne Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nicht, die Polizisten hätten ihm Worte in den Mund gelegt. Oft behauptet er auch, was in den Protokollen stehe, habe er gar nicht gesagt. Und der Brief an den Verfassungsschutz sei nur „ein Spaß“ gewesen. Außerdem habe er auch 2006 in Haft gesessen. Allerdings war er damals Freigänger. Trotz seines markigen Tons wirkt der Glatzkopf unsicher, mehrmals sucht er den Blickkontakt zu Zschäpe. Sie schaut hartnäckig weg.
Bundesanwaltschaft und BKA bezweifeln, dass die Geschichten stimmen, die Bernd T. bei den polizeilichen Vernehmungen von sich gab. Richter Götzl fragt dennoch beharrlich. Und Bernd T. muss auch an diesem Donnerstag nochmal Rede und Antwort stehen. Möglicherweise kommt dann auch zur Sprache, dass 2012 die hessischen Behörden Berndt T. stoppten, als er aus der Haft heraus versuchte, eine Hilfsorganisation für Rechtsextremisten und Rocker aufzubauen, eine „Aryan Defense Jail Crew“. Und die nächste Haft steht offenbar bevor. Bernd T. hat kürzlich in einem Prozess in Kassel zugegeben, seiner schwangeren Freundin in den Bauch getreten zu haben.