Politik: Aufstand im Süden
Amerika-Gipfel scheitert am Thema Freihandelszone – Bushs Diplomatie erleidet einen Rückschlag
Mit Straßenschlachten hatte der vierte Amerika-Gipfel im argentinischen Badeort Mar del Plata begonnen, mit einem Eklat ging er am Samstag zu Ende: erstmals trennten sich die Staats-und Regierungschefs aus 34 Ländern Amerikas ohne einvernehmliche Abschlusserklärung. Am späten Abend legten die Delegationen zwar der Form halber noch eine Deklaration vor, in der aber die unterschiedlichen Auffassungen zum Thema der gesamtamerikanischen Freihandelszone (FTAA) hervorgehoben wurden. Die meisten Staatschefs – darunter US-Präsident George W. Bush – waren zu dem Zeitpunkt bereits abgereist.
Der Gipfel stand eigentlich unter dem Motto der Arbeitsbeschaffung, doch der Streit um FTAA hatte das Treffen beherrscht und nach Worten des chilenischen Staatschefs Ricardo Lagos zu „noch nie da gewesenen Debatten“ geführt. Für die US-Diplomatie war der Gipfel ein Rückschlag, da er zu Tage brachte, dass die Washingtoner Konzepte im ehemaligen „Hinterhof der USA“ zunehmend in Frage gestellt werden.
Die Freihandelszone war 1994 auf dem ersten Amerika-Gipfel in Miami als Projekt der USA aus der Taufe gehoben worden und sollte eigentlich bereits verwirklicht sein. Doch seit zwei Jahren liegen die Verhandlungen auf Eis. Die US-Diplomatie will die Gespräche 2006 wieder aufleben lassen. Dagegen sträubten sich vor allem die Länder des Gemeinsamen Südamerikanischen Marktes Mercosur (Argentinien, Paraguay, Uruguay, Brasilien), die 37 Prozent der lateinamerikanischen Wirtschaftskraft repräsentieren und besonders unter dem US-Agrarprotektionismus zu leiden haben. Sie sehen in einem solchen Vorhaben erst Sinn, wenn im Rahmen der Doha-Runde der Welthandelsorganisation eine Einigung über die Abschaffung der Agrarsubventionen erzielt ist.
Unterstützt werden sie von Venezuelas linkspopulistischem Präsidenten Hugo Chavez, der nach eigenen Worten nach Mar del Plata gekommen war, um FTAA zu Grabe zu tragen. Chavez hatte seinen großen Auftritt beim Gegengipfel am Freitag, an dem auch Argentiniens Fußballstar Diego Maradona und der Favorit für die Präsidentschaftswahlen in Bolivien, der Kokabauer und linke Abgeordnete Evo Morales, teilnahmen.
Verärgert über die Blockade der Südamerikaner zeigte sich vor allem Mexikos Präsident Vicente Fox: „29 Länder sind bereit, die FTAA-Verhandlungen wieder aufzunehmen, der Mercosur glaubt, dass dafür nicht der richtige Zeitpunkt ist, und Chavez lehnt FTAA persönlich ab“, resümierte Fox und schlug vor, ohne die Bremser die Gespräche wieder aufzunehmen. Chiles Staatschef Lagos versuchte zu vermitteln und bot an, regionale Integrationsblöcke zu schaffen, die dann schrittweise konvergieren. Eine Debatte, die letztlich mehr politischer als wirtschaftlicher Art ist, denn bis auf die Mercosur-Staaten sind nahezu alle lateinamerikanischen Länder mit den USA bereits durch bilaterale Freihandelsabkommen verbunden oder verhandeln derzeit.
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