Linksfraktion im Bundestag: Aufstand gegen Sahra Wagenknecht
Sahra Wagenknecht wünscht sich eine neue Parteispitze für die Linke. Mehr als ein Drittel der Bundestagsfraktion gibt ihr in deutlichen Worten Kontra.
Ihr Interview in der parteinahen Zeitung "Neues Deutschland" brachte das Fass offenbar zum Überlaufen. 25 Bundestagsabgeordnete aus allen Flügeln gehen in einer scharf formulierten Erklärung auf Distanz zur Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, die zum wiederholten Mal die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger kritisiert und indirekt ihre Abwahl gefordert hatte. Die Liste der Unterzeichner liegt dem Tagesspiegel vor. Das Papier dürfte zu einer weiteren Zuspitzung im innerparteilichen Machtkampf führen.
"Mit Erstaunen nehmen wir die inzwischen wiederholt öffentlich vorgetragene Kritik unserer Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht an der Arbeit der Parteispitze wahr", heißt es in der Erklärung, die von mehr als einem Drittel der 69-köpfigen Fraktion geteilt wird, und deren Authentizität von mehreren Abgeordneten bestätigt wird. "Wir teilen diese Einschätzung nicht. Im Gegenteil finden wir, dass sich die Partei seit dem Göttinger Parteitag von den davor liegenden Auseinandersetzungen gut erholt hat und sich weiterhin gut entwickelt." Verwiesen wird auf "das starke Wachstum der Partei und die vielen Neueintritte, gerade auch von jungen Menschen".
Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Caren Lay und Cornelia Möhring, Bundesschatzmeister Thomas Nord, und Sabine Leidig, als Beauftragte für soziale Bewegungen Mitglied des Fraktionsvorstandes. Vom linken Parteiflügel wird die Erklärung unter anderem von der innenpolitischen Sprecherin Ulla Jelpke, der Hochschulpolitkerin Nicole Gohlke und dem Rechtspolitiker Niema Movassat unterstützt Auch eine ganze Reihe von Abgeordneten, die im September erstmals in den Bundestag gewählt wurden, haben die Erklärung unterschrieben, etwa Simone Barrientos, Lorenz Gösta Beutin, Jörg Cezanne und Anke Domscheit-Berg.
Kampfkandidaturen in Leipzig?
Wagenknecht nutzt schon seit Wochen fast jede Gelegenheit, um die Arbeit von Kipping und Riexinger zu kritisieren. In ihrem Umfeld werden Szenarien diskutiert, wie ihre Ablösung auf dem Bundesparteitag im Juni in Leipzig möglich werden kann. Dort soll ein neuer Parteivorstand gewählt werden. Der ehemalige Europa- und neue Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi aus Hamburg schloss eine Kandidatur gegen Riexinger aus. "Ich kandidiere für nix", schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. Öffentlich hatte unter anderem der frühere rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Alexander Ulrich die Abwahl von Kipping und Riexinger gefordert.
Warnung vor der "Sammlungsbewegung"
In Anspielung auf die umstrittenen Positionen von Wagenknecht in der Zuwanderungspolitik heißt es: "Wir würden es begrüßen, wenn ab sofort wieder das Bundestagswahlprogramm der Partei Grundlage auch des öffentlichen Wirkens der Fraktionsvorsitzenden wird."
Zu den Plänen von Wagenknecht und ihrem Ehegatten, Ex-Parteichef Oskar Lafontaine, für eine neue linke "Sammlungsbewegung" schreiben die Bundestagsabgeordneten, das jetzige Agieren für diese neue Bewegung sei "völlig intransparent" und erfolge ohne Rückkopplung mit der Partei. "Allein diese Art des Vorgehens trägt die Gefahr des Scheiterns vieler bisheriger Bemühungen in sich." Und: "Wir fordern Sahra Wagenknecht auf, sich und ihre Vorhaben offen der Diskussion in der Fraktion, aber auch in den Gremien der Partei zu stellen." Wagenknecht hatte angekündigt, aus Verärgerung über dort an ihr vorgetragene Kritik bis auf weiteres nicht an den Sitzungen des Parteivorstandes teilzunehmen.
Ko-Chef Bartsch wird nicht erwähnt
In der Erklärung der 25 Abgeordneten wird Wagenknechts Ko-Vorsitzender Dietmar Bartsch nicht namentlich erwähnt. Es gebe in der Bundestagsfraktion eine "Vielzahl ungeklärter Konflikte und offener Probleme", heißt es nur allgemein. "Der derzeitige nicht integrative Führungsstil irritiert insbesondere viele der neuen Bundestagsabgeordneten."
Wagenknecht solle sich "zunächst um die Klärung der Fragen in der eigenen Verantwortung" kümmern, "da gibt es viel zu tun". Wagenknecht und Bartsch führen die Fraktion seit Herbst 2015 in einer Doppelspitze als Nachfolger von Gregor Gysi. Mehrere Abgeordnete erklärten, sie würden Bartsch bei ihrer Kritik am Führungsstil explizit aussparen. Fraktionsvize Möhring schrieb auf Twitter: "Dietmar Bartsch wird da gar nichts vorgeworfen. Dann hätten es auch nicht alle, die gezeichnet haben, gemacht."