Mord an Journalistin Galizia: Auf Malta ist der Rechtsstaat in Gefahr
Die EU fordert von Malta Aufklärung im Mordfall Galizia – und den Kampf gegen Korruption , Geldwäsche und der Vergabe von Pässen an EU-Ausländer.
Es ist ein Mord mit weitreichenden Folgen: Als im Oktober 2017 auf Malta die Journalistin Daphne Caruana Galizia mit einer Autobombe getötet wurde, gab es früh Hinweise auf eine Verwicklung höchster politischer Kreise des kleinen EU-Mitgliedslands mit nur 475.000 Einwohnern in den Fall. Durch einen Zufallsfund des Zolls vor wenigen Wochen sind die Ermittler einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Ein Taxifahrer, der mit einer hohen Geldsumme am Flughafen erwischt wurde, gestand, dass er der Mittelsmann zwischen den Auftragsgebern des Mordes und den Mördern war. Der Taxifahrer bezichtigt einen reichen maltesischen Geschäftsmann, Yorgen Fenech, Drahtzieher zu sein.
Damit nahmen die Ermittlungen eine dramatische Wende. Mit der Festnahme Fenechs gerät der Fall in die Nähe von Ministerpräsident Joseph Muscat. Fenech soll gegen hohe Schmiergeldzahlungen an engste Mitarbeiter von Muscat als Investor zum Zuge gekommen sein, als die Regierung Muscat 2014 den Bau eines Gaskraftwerkes ausschrieb. Damit schließt sich der Kreis: Die ermordete Journalistin hatte als erste darüber berichtet, dass Muscats Mitarbeiter Briefkastenfirmen in Panama unterhielten, über die Millionenzahlungen unbekannter Absender aus Dubai abgewickelt worden waren.
Maltas Geschäftsmodell
Während die Fahnder auf Malta weiterhin ermitteln, zieht der Fall politisch Kreise. Die betreffenden Mitarbeiter Muscats, sein Büroleiter sowie der Tourismusminister, traten umgehend zurück. Auch Muscat hat für Mitte Januar seinen Rücktritt angekündigt.
Der Auftragsmord, in den womöglich Regierungsmitglieder verwickelt sind, und die Korruption im Zusammenhang mit dem Bau eines Gaskraftwerkes sind zwei von mehreren Hinweisen darauf, dass der Rechtsstaat auf Malta eklatante Mängel hat. So ist der Finanzplatz Malta in Verruf geraten, weil dort zuweilen die EU-Regeln gegen Geldwäsche lax angewendet werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im November 2018 der maltesischen Pilatus-Bank die Lizenz entzogen, nachdem der iranische Eigentümer in den USA wegen Geldwäsche und Iran-Geschäften verurteilt worden war. So sah sich etwa auch die Deutsche Bank gezwungen, anzukündigen, dass sie ihre Beziehungen zu Korrespondenzbanken auf der Insel zum Jahresende einstellt. Zeitweise hatten auf Malta auch mehrere Filialen österreichischer Banken aufgemacht, die im Verdacht standen, Geld von vermögenden Österreichern vor dem Fiskus und den Ermittlungsbehörden geheim zu halten.
Zum Geschäftsmodell Maltas gehört zudem, Pässe des Landes an Geschäftsleute aus dem EU-Ausland gegen Zusage von hohen Investitionen zu vergeben. Auch diese sogenannte Golden-Visa-Praxis wurde in der Regierungszeit von Joseph Muscat systematisch betrieben.
Kritik der EU
Nach einem Bericht von Transparency International hat das Land zwischen 2014 und 2017 in 2027 Fällen Nicht-EU-Bürgern die Staatsbürgerschaft gegen Geld verliehen. Dadurch sollen Investitionen vor Ort in Höhe von über 700 Millionen Euro ausgelöst worden sein. Die maltesischen Behörden verlangen nicht einmal, dass die Neu-EU-Bürger auf Malta einen Wohnsitz haben, die sich mit der maltesischen Staatsangehörigkeit im gesamten EU-Binnenmarkt frei bewegen und Geschäften nachgehen können. Unter den über 2000 Neu-Maltesern sind auch drei russische Geschäftsleute, die auf der sogenannten Kreml-Liste der US-Behörden stehen, weil sie entweder dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahestehen oder korrupt sein sollen.
Die jüngsten Entwicklungen im Mordfall hat eine Delegation von sieben EU-Abgeordneten zum Anlass genommen, zum dritten Mal in Folge nach Malta zu fahren und zur Lage des Rechtsstaates zu recherchieren. Gespräche mit Muscat, der Polizei und Nichtregierungsorganisationen standen auf dem Programm. Der Grüne Sven Giegold war dabei. „Unser Augenmerk muss der schonungslosen Aufklärung des Auftragsmordes gelten. Wir dürfen aber darüber nicht lockerlassen, die Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien zu verfolgen.“ Es gebe eine Kultur der Straflosigkeit bei Korruption und Finanzkriminalität.
Die Abgeordneten haben die EU-Kommission aufgefordert, erste Schritte für ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel sieben der EU-Verträge einzuleiten, das am Ende eines langwierigen Verfahrens für den Mitgliedstaat den Verlust von Fördergeldern und Stimmrechten bedeuten kann. „Die erste Reaktion der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen greift viel zu kurz“, sagt Giegold. „Wenn sie jetzt nicht handelt, hat sie ab sofort ein Problem mit der Rechtstaatlichkeit.“