Sitzmöbel: Auf der langen Bank wird’s gemütlich
In Parks wissen wir sie zu schätzen, in Möbelkollektionen führen sie eher ein Schattendasein. Dabei sind diese Sitzgelegenheiten attraktiv und ungemein praktisch.
Mit der Familie auf der Eckbank Platz zu nehmen, ist für viele mit Kindheitserinnerungen verbunden. Diese Art des Sitzens schafft ein Gemeinschaftsgefühl. Denn mal eben so aufstehen, geht nicht. Vorher müssen alle anderen Platz machen. Zwischendurch war die Bank etwas aus der Mode gekommen. Doch einige Designer widmen sich jetzt wieder diesem Möbelstück.
Zum Beispiel Konstantin Grcic. Der Münchner Designer gestaltete für die Firma BD Barcelona Design „Bench B“. In ihrer kürzesten Ausführung ist die Alu-Bank eigentlich eher ein Sessel, weil nur eine Person darauf Platz findet. In ihrer längsten misst sie sechs Meter. Sie ist für Außen und Innen gedacht, kann mit oder ohne Armlehnen und Polster bestellt werden. Der Designer sieht seinen multifunktionalen Entwurf optisch als Reminiszenz an den „Barcelona Chair“ von Mies van der Rohe: „Design heißt nicht nur, ständig Neues zu erfinden, sondern Design ist auch eine Entwicklung der Dinge“, so Grcic.
Auch Poltrona Frau knüpft mit einem Entwurf an Traditionen ein. Auf der diesjährigen Mailänder Möbelmesse stellte das Schwesterunternehmen von Cassina und Cappellini eine Neuauflage der Bank „T904“ aus den Fünfzigern vor. Die Bank ist aus schwarz lackiertem Kurvenrohr geformt. Die Sitzfläche ist aus einem Multischicht-Pappelholz und mit teakfarbenem Eschenholz furniert. Für einen bequemeren Sitz kann sie mit drei Kissen gepolstert werden.
Für den Hersteller ist das Möbel ein Paradebeispiel des Designs der fünfziger Jahre, „wobei es die Experimentierfreude von Le Corbusier hervorruft, jedoch mit einer eigenen Originalität“. Sein zeitloser Look macht es aber auch zu einer schönen Ergänzung zu modernen Stücken.
Ein Klassiker ist auch die schlichte Bank „Kiki“ von Artek. „Kiki“ war eigentlich zuerst ein stapelbarer Stuhl, den man in Konferenzräumen einsetzen konnte. Der finnische Architekt und Interieurdesigner Ilmari Tapiovaara entwarf den dazu passenden Zweisitzer im Jahr 1960.
Sein Ziel war es, günstige Möbel für ein breites Publikum zu gestalten. Dafür benutzte er Materialien, die in Finnland damals leicht zu bekommen waren, zum Beispiel Birkenholz. Später entwickelte er vielseitig einsetzbare Stühle aus Stahlrohr und Sperrholz. Zeichneten seine Möbel zuvor eher organische Formen aus, setzte sich bei „Kiki“ eine eher klare Formsprache durch. Damit traf er den Zeitgeist. Die zeitlose und elegante Form des Möbels machte es zu einem der beliebtesten Möbel für halb-öffentliche Räume in Finnland.
An der Schwelle von Kunst und Design
Doch auch Jungdesigner sind auf die Bank gekommen. Nach dem einfachen Motto „mehrere Hocker ergeben eine Bank“ hat das Designerinnen-Duo Yvonne Fehling und Jennie Peiz 2010 die „Hockerbank“ herausgebracht. Ein bisschen erinnert sie an ein überdimensionales Insekt mit vielen Beinen. Denn für ihren Entwurf haben die Designerinnen mehrere Hocker quasi zusammenschmelzen lassen. Die Hockerbank ist für die Gestalterinnen, die unter dem Label Kraud Möbel und Objekte herstellen, eine logische Weiterführung der „Stuhlhockerbank“. Dieses Modell ist aus Holz. Die Sitzfläche wird durch Stuhllehnen durchbrochen.
Ähnlich, und doch ganz anders funktioniert die „Slagbaenk“ von Rasmus B. Fex, die er im Rahmen des „d3 Design Awards“ auf der diesjährigen Möbelmesse imm in Köln zeigte. Aus zwei Stuhlgestellen und einigen Brettern bastelte der dänische Produktdesigner eine Bank mit Rückenlehne, die sogar noch über Stauraum verfügt. Eine Art „Schweizer Taschenmesser der Inneneinrichtung“, findet Fex, der sein vielfach talentiertes Möbelstück an der Schwelle von Kunst und Design verortet.
Als Kunstobjekt könnte auch die Bank „E-Turn“ von Kundalini durchgehen, denn auf den ersten Blick sieht man ihr nicht an, dass es sich um ein Sitzmöbel handelt. Brodie Neill gestaltete sie aus lackiertem Fiberglas nach dem Vorbild der unendlich wirkenden Möbiusschleife. Heraus kam ein Objekt, das fast zu kunstvoll zum Sitzen erscheint.
Von einer Leiter ließ sich Designer Martí Guixé inspirieren, als er die Bank „March“ für die finnische Firma Nikari entwarf. Die Idee kam ihm, als er Menschen beobachtete, wie sie eine Leiter als Sitz- und Ablagemöglichkeit nutzten. Sein Möbel sieht er als Erweiterung der Wand. Es eignet sich auch als Garderobe.
Wen so viele moderne Entwürfe beunruhigen, der kann sich jetzt entspannen: Es gibt sie noch, die klassische Eckbank. Und sie ist auch noch genauso hölzern und gemütlich wie früher. Alexander Seifried räumte mit seinem Model „Stijl“ für Richard Lampert gerade einen „Interior Innovation Award“ ab. Die Eckbank kann nach Lust und Laune gepolstert bestellt werden und wird durch einen passenden Tisch ergänzt.
Lisa Frielinghaus