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Die 1920 gegründete Banque de Luxembourg ist eines der wichtigsten Finanzinstitute des Großherzogtums. Minister Gramegna will sein Land aber nicht auf den Finanzplatz reduziert sehen. Auch Informatik, Telekommunikation und Logistik sowie die Stahl- und Automobilzuliefererindustrie seien wichtige Wirtschaftszweige. Foto: SIP/Christof Weber
© SIP/Christof Weber (cwphoto.lu)

Interview mit Pierre Gramegna: „Auf Augenhöhe mit den anderen“

Finanzminister Pierre Gramegna über Steuertransparenz, Whistleblower-Schutz, die Ratspräsidentschaft und den Wirtschaftsstandort Luxemburg.

Herr Gramegna, die Ratspräsidentschaft Luxemburgs geht zu Ende. Sie hatten sich als eine der Prioritäten das Thema „Steuerehrlichkeit“ vorgenommen. Doch die Präsidentschaft wurde auch durch öffentliche Kritik an den Steuerpraktiken Ihres Landes begleitet – Stichwort „Luxleaks“-Skandal. Welches Fazit ziehen Sie nach diesen sechs Monaten?
Ich ziehe eine sehr positive Bilanz. Man beharrt bei diesen Berichten auf Details, bei denen man glaubt, Luxemburg würde in Sachen Transparenz nicht mitmachen – aber darauf komme ich später zurück. Zunächst einmal: Wir haben alles eingelöst, was wir versprochen hatten und auch viel Erfolg damit gehabt. Eine unserer wichtigsten Prioritäten war der automatische Austausch bei den Steuervorabentscheidungen, den sogenannten Rulings. Hier haben wir schon im Oktober eine politische Vereinbarung erreicht, in einer Rekordzeit von nur sieben Monaten nachdem die Kommission ihren Vorschlag vorgelegt hatte. Normalerweise dauert so etwas Jahre.

Genau dieser Kompromiss wird allerdings von vielen als ungenügend kritisiert. So sollen sich zwar künftig Staaten über diese Steuerdeals austauschen, die EU-Kommission Daten aber nur anonymisiert erhalten und eine breitere Öffentlichkeit erst gar nichts erfahren. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Im Kontext des Wettbewerbsrechts haben die zuständigen Dienste der Kommission die Möglichkeit, alle Dokumente einzusehen. Wenn man aber der gesamten Kommission alle Informationen ungeschützt überlassen hätte, hätte man sie faktisch auch gleich ins Internet stellen können. Das befürworten manche. Die meisten Länder aber haben das nicht gewollt. Hier geht es um sensible Daten, die gesetzlich geschützt sind. Demnach finde ich den Kompromiss so, wie er ist, außerordentlich gut. Er liegt genau in der Mitte zwischen den zwei Polen.

Der sogenannte Luxleaks-Skandal wird zur Zeit von einem eigenen Ausschuss im EU-Parlament untersucht. Luxemburg hat von Anfang an betont, es wolle sich transparent geben. Nun aber hat Ihr Land – so wie zwölf andere Staaten auch – auf eine Anfrage des Ausschusses hin lediglich komplett geschwärzte Papiere ausgehändigt. Wie passt das zusammen?
Der Ausschuss hat nach Dokumenten gefragt, die bislang vertraulich waren. Deshalb waren viele Länder nicht einverstanden. Das war nicht Luxemburg, das dort blockiert hat. Aber solange einige Länder Informationen zurückhalten, kann man nicht von anderen verlangen, alles komplett offenzulegen. Es darf nicht sein, dass Länder gegeneinander ausgespielt werden. Die Aufgabe einer Ratspräsidentschaft ist eine einheitliche Politik. Deshalb freue ich mich, dass wir auch in diesem Punkt vor wenigen Tagen eine gemeinsame Lösung finden konnten, die es erlaubt, nun alle gewünschten Informationen offenzulegen. Dies zeigt, dass Luxemburg es ernst meint in Sachen Transparenz.

Pierre Gramegna (Demokratesch Partei) ist seit Dezember 2013 Finanzminister in Luxemburg.
Pierre Gramegna (Demokratesch Partei) ist seit Dezember 2013 Finanzminister in Luxemburg.
© Julien Warnand/picture alliance / dpa

Ein Großteil der öffentlichen Kritik macht sich an EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker persönlich fest. Er war lange Zeit Luxemburger Premier und Regierungschef. Bei einer Anhörung vor dem „Luxleaks“- Ausschuss sagte er, er habe keine Kenntnis der Ruling-Praxis gehabt, das sei allein die Steuerverwaltung gewesen. Sie sind heute im selben Amt wie Juncker früher. Sind seine Äußerungen glaubhaft?
Die Wortwahl von Herrn Juncker möchte ich nicht kommentieren. Ich kann ihnen aber sagen, dass die Steuerverwaltung eigenständig entscheidet. Die Regierung und das Parlament bestimmen die Gesetzesbasis, haben aber auf die Einzelentscheidungen tatsächlich keinen Einfluss.

In den internationalen Medien wurde berichtet, dass eine Abteilung mit weniger als zehn Mitarbeitern täglich bis zu 39 Rulings geprüft habe.
Diese Zahlen sind nicht richtig. In unserer Verwaltung sind hunderte Mitarbeiter mit dem Thema befasst. Lassen Sie mich an dieser Stelle aber mal betonen, dass es sehr ermüdend ist, immer nur auf dieses Thema angesprochen zu werden. Solche steuerlichen Vorabentscheidungen gibt es in den meisten Ländern der EU, auch in Deutschland. Luxemburg ist breit aufgestellt. Unsere Wettbewerbsfähigkeit beruht nicht auf Rulings.

Wir sprachen über Transparenz: auf EU-Ebene wurde – ebenfalls unter Ihrer Ratspräsidentschaft – diskutiert, wie der Schutz von sogenannten Geheimnisverrätern verbessert werden kann. Die Luxemburger Staatsanwaltschaft hat nicht nur gegen den Whistleblower Antoine Deltour Anklage erhoben, sondern auch gegen den französischen Journalisten Edouard Perrin. Ist das nicht ein falsches Signal in diesem Zusammenhang?
Wir haben als eines der wenigen EU-Länder bereits eine Gesetzgebung, die Whistleblower schützt. Ansonsten will ich als Mitglied der Exekutive das Vorgehen und die Argumente der Staatsanwaltschaft nicht kommentieren. Sie ist unabhängig, mir steht das nicht zu.

Auch in Deutschland und in den Niederlanden wird laut zahlreicher Recherchen Steuerdumping betrieben. Finden Sie, Luxemburg steht dabei zu Unrecht im Fokus?
Es geht hier nicht um gerecht oder ungerecht. Wichtig ist: Wir haben uns immer an internationale Konventionen und Gesetze gehalten. Die Besteuerungspraxis ist weltweit dabei, sich zu ändern. Es gibt für alle einen sehr viel stärkeren Druck, transparent zu handeln. Wir sind da proaktiv – als Ratspräsidentschaft und als Nationalstaat. Wir haben in den vergangenen Jahren bereits sehr viel an unserer Gesetzgebung geändert. Damit wir auf Augenhöhe mit den anderen sind.

Sie selbst sind seit den 1980er Jahren in der luxemburgischen und internationalen Politik aktiv. Wann hat dieses Umdenken Ihrer Meinung nach eingesetzt?
Im Rückblick würde ich sagen, die Weltfinanzkrise nach 2008 hatte da einen sehr großen Einfluss. Sie hat verändert, wie Staaten und die Öffentlichkeit das Thema Steuern betrachten. Niemand hat Verständnis dafür, dass als Folge der Krise für Bürger die Steuern erhöht wurden, während Großkonzerne gleichzeitig ihre Steuern auf ein Minimum drücken. Da gab es einen großen Bewusstseinswandel. Auch die Staaten haben eine veränderte Besteuerung als Mittel gegen ihre Haushaltsprobleme erkannt. Der Informationsaustausch, den wir auf EU-Ebene umsetzen, soll auch auf OECD- und G20- Ebene kommen.

Wenn Steuerwettbewerb zukünftig verpönt ist und das Bankgeheimnis bald passé: Was wird das Geschäftsmodell Luxemburgs der Zukunft sein?
Wir haben schon heute eine sehr diversifizierte Wirtschaft. Der Finanzplatz macht 25 Prozent unserer Wirtschaftsleistung aus – und davon hat auch nur ein Teil vom Bankgeheimnis profitiert, den Fondsbereich und die Versicherungswirtschaft zum Beispiel hat das ja nie betroffen. Und das bedeutet eben auch, dass 75 Prozent in anderen Bereichen erwirtschaftet werden.

Wir sind zum allergrößten Teil eine Dienstleistungswirtschaft mit Bereichen wie Informatik, Telekommunikation und Logistik. Unsere Industrie ist ebenfalls sehr stark – wenn vielleicht auch nicht so stark wie in Deutschland. Wir sind zum Beispiel immer noch Stahlproduzent und haben eine erfolgreiche Automobilzuliefererindustrie. Das ist kaum bekannt. Wir haben als Land in den vergangenen Jahren zudem sehr intensiv in Innovationen investiert. Und wir ziehen mit einer gerade mal zehn Jahre alten Universität Fachkräfte aus der ganzen Welt an. Ich mache mir also um die Zukunft Luxemburgs weniger Sorgen, als ich Potenzial für Aufwind sehe.

In der Vergangenheit wurde häufig kritisiert, dass sogenannte Patentboxen die Überschreibung von Erträgen aus Erfindungen und Lizenzen und deren günstige Besteuerung möglich gemacht haben – ohne dass Forschung auch wirklich vor Ort stattfand. Werden all die großen Unternehmen, die diese Möglichkeit bisher in Luxemburg genutzt haben, zukünftig dann auch tatsächlich in Luxemburg forschen?
Patentboxen, so wie es sie bisher gab, werden ab Mitte kommenden Jahres in Luxemburg nicht mehr möglich sein – wenn auch für den Altbestand noch eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2021 gilt, was in Einklang mit den internationalen Regeln steht. In Zukunft wird es Patentboxen international nur noch dann geben, wenn die Forschung wirklich auch im Land betrieben wird. Diese Regelung, das will ich einfach einmal ganz klar so sagen, bevorzugt natürlich die großen Länder gegenüber den kleinen. Das haben wir aber so akzeptiert, und werden uns diesem neuen Umfeld anpassen.

Das Gespräch führte Elisa Simantke

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