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Das Bomben geht weiter: Blick in ein zerstörtes Haus im nördlichen Gazastreifen
© AFP

Israel und Hamas: Auch Palästinenser drohen mit Verhandlungsende

Die Verhandlungen in Kairo stehen vor dem endgültigen Aus: Nach Abreise der Israelis droht auch die palästinensische Delegation mit dem Abbruch der Gespräche. Außenminister Lieberman will Hamas-Regierung stürzen.

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens haben an Israel und die Palästinenser appelliert, die Feindseligkeiten sofort einzustellen und Gespräche für eine dauerhafte Feuerpause aufzunehmen. „Wir rufen beide Seiten auf, unverzüglich zur Waffenruhe zurückzukehren“, heißt es in der am Samstag vom Auswärtigen Amt veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der Minister Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius, und Philipp Hammond. „Die in diesem Zusammenhang laufenden Bemühungen Ägyptens haben unsere volle Unterstützung.“ Deutschland, Frankreich und Großbritannien stehen nach Angaben ihrer Außenminister bereit, „Unterstützung bei der Herstellung eines dauerhaften Waffenstillstands zu leisten“. Damit dieser Aussicht auf Erfolg habe, müssten „Schritte vorgesehen werden, die sowohl die Sicherheitsinteressen Israels als auch die palästinensischen Anforderungen für eine Aufhebung der Blockade gleichermaßen berücksichtigen“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung.

Auch Palästinenser wollen nicht mehr verhandeln

Der Leiter der palästinensischen Delegation bei Gesprächen in Kairo drohte am Sonntag mit der Abreise, sollte Israels Delegation nicht zurückkommen. Israel dürfe dabei keine Bedingungen stellen, sagte Asam al-Ahmad der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa. Israel und Vertreter der Palästinenser hatten zuletzt in Kairo unter ägyptischer Vermittlung über eine dauerhafte Waffenruhe verhandelt. Nach Ablauf einer dreitägigen Feuerpause hatten die militanten Palästinenser am Freitag den Raketenbeschuss auf Israel wieder aufgenommen. Israel zog daraufhin seine Verhandlungsdelegation aus Kairo ab und bombardierte Ziele im Gazastreifen.
Die Palästinenser hatten eine Verlängerung der Feuerpause mit der Begründung abgelehnt, dass ihre Forderungen nicht erfüllt worden seien. Unter anderen verlangen sie die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens durch Israel und Ägypten und einen ungehinderten Personen- und Warenverkehr über die Gaza-Grenzen.

Rechte Politiker fordern Sturz der Hamas

Israel machte unterdessen klar, dass die Offensive im Gaza-Streifen noch nicht beendet sei: Bis alle Ziele erreicht seien, werde es Zeit brauchen, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag. Israel werde sich weiter „für eine Veränderung der Realität und Ruhe für all seine Bürger einsetzen“, betonte Netanjahu. Man habe zu keinem Zeitpunkt ein Ende der vor mehr als einem Monat begonnenen Offensive „Zuk Eitan“ (Fels in der Brandung) erklärt. Rechtsorientierte israelische Minister forderten angesichts der fortwährenden Raketenangriffe aus dem Gazastreifen einen Sturz des Hamas-Regimes. „Wir müssen die Hamas klar besiegen, das Gebiet säubern und so schnell wie möglich wieder abziehen“, sagte Außenminister Avigdor Lieberman am Sonntag vor einer Regierungssitzung in Tel Aviv. Die Positionen der Verhandlungen in Kairo lägen weit auseinander. Auch Innenminister Gideon Saar von der regierenden Likud-Partei forderte, die Armee müsse „die militärische Macht der Hamas brechen“.

UN: Große Teile Gazas sind eingeebnet

Das Bomben geht weiter: Blick in ein zerstörtes Haus im nördlichen Gazastreifen
Das Bomben geht weiter: Blick in ein zerstörtes Haus im nördlichen Gazastreifen
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Nach dem neuen Aufflammen der Gewalt steigt die Zahl der Flüchtlinge im Gazastreifen wieder. Rund 220 000 Menschen suchten derzeit in Einrichtungen der UN Schutz, schrieb Chris Gunness, Sprecher des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, auf Twitter. Die Zahl war während der letzten Waffenruhe vorübergehend gesunken, weil viele Menschen in ihre Wohngebiete zurückgekehrt waren. Gunness forderte am Samstag über Twitter ein Ende der Blockade des Gazastreifens. „Große Teile Gazas wurden eingeebnet“, schrieb Gunness. „Wir können sie nicht aufbauen, wenn uns die Hände gebunden sind.“ Gleichzeitig müsse man sich eingestehen, dass humanitäre Hilfe nicht genug sei, um Gaza zu versorgen und aufzubauen. Der Gazakonflikt brauche eine „politische Lösung“. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als einem Monat sind nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums mehr als 1900 Palästinenser getötet und knapp 10 000 verletzt worden. Auf der israelischen Seite starben 64 Soldaten und drei Zivilisten; mehr als 500 Menschen wurden verletzt.

Bundeswehr lernt in Israel Häuser- und Tunnelkampf

Bis zu 250 deutsche Soldaten sollen einem Zeitungsbericht zufolge in Israel im Häuser- und Tunnelkampf ausgebildet werden. Dies habe der Inspekteur des Heeres, General Bruno Kasdorf, in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Hans-Peter Bartels, mitgeteilt, berichtete die "Welt am Sonntag". Die Bundeswehr wolle sich so für den Kampf gegen Aufständische in Auslandseinsätzen rüsten. Vom Heer war zunächst keine Stellungnahme zu dem Bericht zu erhalten. Die aktuelle israelische Offensive im dicht besiedelten Gazastreifen begann am 8. Juli. Kasdorfs Brief ist der Zeitung zufolge auf den 11. Juli datiert. Die Bundeswehr arbeitet schon lange bei der Ausbildung mit der israelischen Armee zusammen.

Appell deutscher Kulturschaffender

Mehr als 350 Kulturschaffende in Deutschland haben in einem offenen Brief zum Gaza-Krieg Bundesregierung und Bundestag aufgefordert, sich für den Schutz der palästinensischen Bevölkerung einzusetzen. Vertreter der Koalition, des Bundestag und des europäischen Parlaments sollten ihren Einfluss auf die israelischen Entscheidungsträger geltend machen und diese zu einem Rückzug der israelischen Armee und zur Aufhebung der Blockade des Gazastreifens bewegen, heißt es in dem Schreiben, das am Samstag auf den Demonstrationen zur Solidarität mit Gaza in Berlin und München vorgelesen werden sollte.
Unterzeichnet wurde der bereits am 1. August verfasste Aufruf von Schriftstellern, Filmemachern, Musikern, Regisseuren, Schauspielern und Journalisten. Dazu zählen Luk Perceval, Werner Ruzicka, Ingo Schulze, Vera von Lehndorff, Nina Hagen, Rupert Neudeck, Schorsch Kamerun, Olga Grjasnowa, Stefan Kaegi, Erica Fischer und Kai Schumann. „Wir fordern, dass Sie Ihren - dank der engen Kooperation mit Israel - bedeutenden Einfluss geltend machen und Ihrer Verantwortung nachkommen“, verlangen die Künstler und Autoren von den deutschen Politikern. So müssten sich die israelischen Truppen sofort vollständig aus Gaza zurückziehen. Die Mahner fordern zudem die „definitive Einstellung jeglicher Angriffe aus der Luft oder vom Boden auf die Zivilbevölkerung“ sowie die Öffnung der Grenzübergänge Gazas für Waren, Hilfsgüter und Menschen. dpa/rtr

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