Griechenland: Athen überweist dem IWF pünktlich 770 Millionen Euro
Beim Treffen der EU-Finanzminister schieben sich die Verantwortlichen gegenseitig die Schuld für die festgefahrenen Verhandlungen zu. Die Situation in Griechenland spitzt sich unterdessen zu. Eine Rate an den IWF wurde am Montag pünktlich angewiesen, aber Athen geht langsam das Geld aus.
Vor manchen Ministertreffen werden die Erwartungen absichtlich heruntergeschraubt – nur um dann am Ende doch mit einem Ergebnis zu überraschen. Doch in den Verhandlungen zwischen den EU-Geldgebern und Griechenland ging es beim Treffen der Finanzminister der Euro-Gruppe an diesem Montag wohl tatsächlich von vorneherein nicht mehr um echte Ergebnisse.
Am Ende stand dann tatsächlich eine dürre, elfzeilige Erklärung der Eurogruppe, in der zwar die „erzielten Fortschritte“ gelobt, aber auch „mehr Zeit und Anstrengungen“ für erforderlich gehalten werden, um das zweite Hilfsprogramm abschließen und die in Athen sehnlichst erwartete Hilfszahlung über 7,2 Milliarden Euro auszuzahlen.
Formaler Grund dafür war, dass den Ministern keinerlei Entscheidungsgrundlage vorlag. Bei den vorbereitenden Gesprächen haben sich griechische Regierung und ihre Geldgeber, repräsentiert von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), zwar in bestimmten Punkten wie der Mehrwertsteuer oder Privatisierungen angenähert, doch bleiben Reformen des Arbeitsmarkts oder des Rentensystems hoch umstritten. Für das Wochenende geplante Beratungen der sogenannten „Brussels Group“ fielen deshalb ganz ins Wasser.
Griechenland hat zwar an einigen Stellen Zugeständnisse gemacht, den Geldgebern reichen diese aber nicht. Bei einer möglichen Mehrwertsteuererhöhung – zu Beginn von Syriza kategorisch abgelehnt, da davon überproportional Einkommensschwache betroffen sind – sei man sich zwischen Athen und Brüssel bereits weitgehend einig, berichten griechische Beobachter. Hier gehe es nur noch darum, ob der Satz auf 15 oder auf 18 Prozent erhöht werde.
Eine schnelle Lösung wird es nicht geben
Damit bleiben aber immer noch zwei große Streitpunkte: die Renten und der Arbeitsmarkt. Weitere Kürzungen und Liberalisierungen in diesen Bereichen hatten Finanzminister Yanis Varoufakis und Premierminister Tsipras bisher als „rote Linien“ bezeichnet. Varoufakis beharrt darauf, seine Regierung habe in den Gesprächen „alles Menschenmögliche getan“, um zu einer Lösung zu kommen. Doch die Verhandlungsposition der griechischen Seite hat sich weiter verschlechtert, seitdem der Internationale Währungsfonds dem griechischen Haushalt ein Defizit voraussagt. Wenn der bisher angenommene kleine Haushaltsüberschuss aber nicht gehalten werden kann, verringern sich automatisch die angenommenen Steuereinnahmen – und damit der finanzielle Spielraum für die Regierung.
Deshalb wird jetzt doch verstärkt über mögliche Rentenkürzungen diskutiert, womit Syriza ein zentrales Wahlkampfversprechen brechen würde. Der Diplomat eines kleinen EuroLandes beschreibt die Verhandlungen deshalb so: „Die Griechen sagen, sie wollen das Rentensystem reformieren, sagen aber nicht, um welche Pensionen es gehen soll und wie viele Personen davon betroffen wären – so können wir aber die finanziellen Auswirkungen nicht beziffern und nicht sagen, was dafür an anderer Stelle eingespart werden muss“.
Während die Geldgeber betonen, es werde keine schnelle Lösung geben, wird es für Athen immer enger. Die Regierung musste an diesem Montag 770 Millionen Euro gegenüber dem IWF begleichen und hat das Geld auch angewiesen. Es ist der Auftakt eines teuren Sommers, da sich der Schuldendienst allein im Juli und August auf knapp neun Milliarden Euro beläuft. Selbst wenn EU und IWF Ende Juni die noch ausstehenden 7,2 Milliarden Euro überweisen würden, wird es knapp. Bis Jahresende sind insgesamt 18 Milliarden Euro fällig. Dies scheint ohne ein drittes Hilfspaket kaum noch möglich.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich vor diesem Hintergrund erstmals positiv über einen Volksentscheid in Griechenland geäußert. Es sei „vielleicht eine richtige Maßnahme“, wenn die Griechen in einer Volksabstimmung entscheiden, ob sie die für einen Verbleib in der Währungsunion notwendigen Spar- und Reformmaßnahmen mittragen – oder „das Andere“ wählten. Als die griechische Regierung dieses Mittel ins Spiel gebracht hatte, hatten EU-Offizielle es noch als reines Druckmittel Athens abgetan.