Syrien: Assad warnt den Westen vor Einmischung
Syriens Machthaber droht dem Westen: Eine internationale Intervention hätte ein "Erdbeben" in der Region zur Folge. Bisher wurden mehr als 3000 Zivilisten getötet.
Syriens Präsident Baschar al Assad hat in einem Interview mit einer britischen Zeitung die bisher schärfste Warnung gegen den Westen ausgesprochen. Jede internationale Intervention würde ein „Erdbeben“ entfachen, das die ganze Region in Flammen setzen könnte, sagte er dem „Sunday Telegraph“. Syrien sei ein Drehkreuz in der Region. Es liege an einer Bruchlinie, und wenn man damit spiele, könne ein Erdbeben ausgelöst werden. Ob man ein oder zehn neue Afghanistans sehen wolle, fragte er rhetorisch.
Assads Alarmsignal ertönt zu einem Zeitpunkt, da die Idee einer internationalen Intervention, in welcher Form auch immer, laut diskutiert wird. Mit dem Tod des libyschen Diktators Muammar al Gaddafi hat die Demokratiebewegung in Syrien, die seit dem 15. März aktiv ist, neuen Auftrieb erhalten. Waren am Anfang vor allem die Ereignisse in Ägypten wegweisend für die Syrer, weil das Nilland immer eine wichtige kulturelle, politische und ideologische Referenz war, werde jetzt das libysche System als Vergleich herangezogen, erklärte Bassma Kodami, ein Führungsmitglied des oppositionellen Syrischen Nationalrats. Es gebe heute keinen Unterschied mehr zwischen dem System Assads und jenem Gaddafis, lautete auch das Fazit eines Kommentars in der saudisch finanzierten Tageszeitung „Al Sharq al Awsat“.
Am Sonntag lief das Ultimatum der Arabischen Liga (AL) ab, die Assad zu einem Dialog mit der Opposition außerhalb Syriens aufgefordert hatte. Dabei hätte die Ministerdelegation der AL, die vor wenigen Tagen in Damaskus weilte, Assad offen mit einer „Internationalisierung“ der Krise gedroht, sollte eine arabische Lösung scheitern. Das würde bedeuten, Syrien müsste mit einer internationalen Intervention und einer schmerzlichen Wirtschaftsblockade rechnen, berichtete eine Zeitung aus Kuwait über den Inhalt der Gespräche.
Noch bevor das Ultimatum abgelaufen war, erklärte AL-Generalsekretär Nabil al Arabi, Assad habe sich nicht bewegt, und man habe die Forderung der syrischen Opposition nach einer Flugverbotszone registriert. Er glaube zudem nicht, dass es weitere AL-Missionen in Damaskus gebe. Syrische Aktivisten verlangten als Erstes den Ausschluss ihres Landes von der arabischen Dachorganisation. Die Zustimmung der AL zu einer Flugverbotszone in Libyen war die entscheidende Bedingung gewesen, damit die internationale Gemeinschaft eine Militäraktion gegen Gaddafi lancieren konnte.Ist das Kriterium die Brutalität des Regimes, ist ein Vergleich mit Libyen zulässig. Aber darüber hinaus ist die Situation in Syrien tatsächlich viel komplexer. Einmal hat Assad noch – wenn auch abnehmende – Unterstützung in Kreisen der Wirtschaftselite und der Baathpartei, und zum anderen ist Syrien ein religiös und ethnisch gemischtes Land mit vielen Bruchlinien. Zudem kann Damaskus in allen regionalen Brennpunkten für Unruhe sorgen. Deshalb haben die arabischen Länder und der Westen lange tatenlos zugesehen.
Die Revolution des 15. März wird zunehmend eine militärische Auseinandersetzung. In Homs wurden am Wochenende bei bewaffneten Zusammenstößen zwischen der Armee und abtrünnigen Soldaten mindestens 20 Soldaten der regulären Armee getötet und 53 verletzt, meldeten Menschenrechtsorganisationen. Solche Gefechte haben in den vergangenen Wochen an Intensität zugenommen. Wie viele Soldaten der „Freien Syrischen Armee“ angehören, ist nicht bekannt. Kodami schätzt ihre Zahl auf 15 000 bis 30 000, darunter seien auch hochrangige Offiziere.
Nach den Freitagsdemonstrationen hatten die Sicherheitskräfte mindestens 40 Zivilisten getötet. Insgesamt war dieses Wochenende mit fast 100 Toten eines der blutigsten seit dem Beginn des Aufstandes gegen Assad, bei dem es bisher mehr als 3000 zivile Tote gab.
Am Sonntag kam es in mehreren Schulen in Damaskus und Latakia zu großen Schülerprotesten. Die Demokratieaktivisten suchen nach immer neuen Formen für ihren Protest. Streiks und ziviler Ungehorsam weiten sich aus.
Der Nationalrat, der den Großteil der Exilopposition und nach Angaben von Kodami 75 bis 80 Prozent der lokalen Koordinationskomitees vertritt, steht weiterhin für einen friedlichen Sturz Assads. Die Oppositionsführerin räumt aber ein, dass es die Versuchung, aber auch die physische Notwendigkeit gebe, zu den Waffen zu greifen, um sich selbst zu verteidigen.
Astrid Frefel
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