Auseinandersetzung zwischen China und den USA: Asien ist das zentrale Schlachtfeld des neuen Kalten Krieges
Für die asiatischen Staaten bedeutet das große Unsicherheit. Bei Trump wissen sie nicht, woran sie sind. China brauchen sie wirtschaftlich. Ein Gastkommentar.
Yoon Young-kwan war Außenminister der Republik Korea und ist Professor emeritus für internationale Beziehungen an der Seoul National University. Aus dem Englischen von Jan Doolan. Copyright: Project Syndicate, 2020. www.project-syndicate.org
Im Nachhinein scheint es, die Entscheidung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), ein neues Sicherheitsgesetz über Hongkong zu verhängen, sei vorherbestimmt gewesen. Historisch betrachtet versuchen aufstrebende Mächte, sobald sie eine bestimmte Phase wirtschaftlicher Entwicklung durchlaufen haben, immer, ihre geopolitischen Einflusssphären auszuweiten.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis China die Regelung „Ein Land, zwei Systeme“ abschaffen und Hongkong – einem Territorium, das es als integralen Bestandteil des Mutterlands betrachtet – seine Gesetze und Normen aufzwingen würde.
Aus Chinas Sicht waren Amerikas Dekadenz und Niedergang während der vergangenen zwölf Jahre – von der Finanzkrise 2008 bis zu Donald Trumps Präsidentschaft – eine offene Einladung an China, seine strategische Expansion zu beschleunigen.
Obwohl der chinesische Präsident Xi Jinping der Welt lange Zeit versicherte, der Pazifik sei groß genug für China und die USA, hat die von ihm tatsächlich verfolgte Politik häufig das Gegenteil nahegelegt. Zusätzlich zur Militarisierung des Südchinesischen Meers verfolgt seine Seidenstraßeninitiative das Ziel, China zum Knotenpunkt für die gesamte eurasische Landmasse zu machen.
Die USA haben Xis Aggressivität zu Kenntnis genommen
Nun, da Xi sich entschlossen hat, allein Hongkongs völlig Unterwerfung gelten zu lassen, wird er im Vertrauen darauf, dass eine isolationistische, abgelenkte Trump-Regierung nichts dagegen tun wird, vermutlich auch den Status quo in Bezug auf Taiwan infrage stellen. Doch haben die USA Xis Aggressivität zur Kenntnis genommen.
Nach zwei Jahrzehnten der Hoffnung, dass China sich zu einem verantwortungsvollen Mitglied der Weltwirtschaft entwickeln würde, sind die Entscheidungsträger in den USA endlich zu dem Schluss gelangt, dass das nicht passieren wird.
Seit der Entscheidung der KPCh vom März 2018, die Amtszeitbeschränkung für den Präsidenten abzuschaffen, hat das außenpolitische Establishment der USA jede Erwartung an eine normative Konvergenz zwischen Xis China und dem Westen aufgegeben.
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Die Covid-19-Pandemie hat derweil, nachdem Trumps Handelskrieg bereits eine zunehmend antagonistische Phase der chinesisch-amerikanischen Beziehungen eingeleitet hatte, einer konfrontativen US-Politik gegenüber China weiteren Schub verliehen. Es hat sich daher überall in Asien ein strategischer Konsens herausgebildet, dass die Region das zentrale „Schlachtfeld“ eines neuen Kalten Krieges werden wird, der bereits begonnen hat.
Um die Beschaffenheit des aufziehenden Konflikts besser zu verstehen, sollten sich die asiatischen Regierungen – zusammen mit der übrigen Welt – auf drei miteinander verknüpfte Bereiche chinesisch-amerikanischer Rivalität konzentrieren: den politisch-militärischen, den wirtschaftlichen und den ideologischen.
Die zentrale Frage ist, ob China die USA aus Asien verdrängen will
Auf der politisch-militärischen Ebene ist die zentrale Frage, ob China versuchen wird, die USA aus Asien zu verdrängen und so zum unwidersprochenen Hegemon der Region zu werden. Selbst wenn es so weit nicht geht, wird China versuchen, das US-Sicherheitsengagement in Südkorea, Japan, den Philippinen und der ASEAN zu schwächen. Doch falls sich der aggressive Ansatz der KPCh verstärkt, könnte das die benachbarten Länder veranlassen, ein neues, gegen China gerichtetes Bündnis einzugehen, das zumindest ansatzweise mit den USA abgestimmt ist.
In diesem Fall wäre es für China äußerst schwierig, eine friedliche Koexistenz mit den USA zu erreichen. Schlimmer noch: Asiens neuer Kalter Krieg liefe Gefahr, zu einem unbeabsichtigten heißen Krieg auszuarten.
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Der zweite Problembereich ist der wirtschaftliche. Jede Konfrontation auf politisch-militärischer Ebene wird den Entkoppelungsprozess beschleunigen und die Positiv-Summen-Wirtschaft der Region in eine Negativ-Summen-Wirtschaft verwandeln. Viele asiatische Länder haben von den vertieften Beziehungen zu China wirtschaftlich profitiert, selbst wenn sie für ihre Sicherheit auf die USA angewiesen sind.
Für diese Länder würde ein kompletter Bruch mit China kostspielig, kompliziert und gefährlich. Das wird dazu führen, dass sie sich US-Bemühungen zur Beschleunigung einer umfassenden Entkoppelung vermutlich zugunsten eines beschränkteren Ansatzes, der sich auf sicherheitsbezogene und Hochtechnologiebranchen richtet, widersetzen werden.
Asien wartet, dass Trump eine klare Vision seiner Entkoppelung von China teilt
Die Unsicherheit über die Position der USA macht die Lage nicht besser. Die asiatischen Politiker fragen sich schon eine Weile, wann die USA eine klare, umfassende Vision der auf die von ihnen angestrebte Entkoppelung folgenden Ära mit ihnen teilen werden. Die Trump-Regierung hat angedeutet, dass sie ein neues „Netz wirtschaftlichen Wohlstands“ in der Region errichten möchte.
Doch muss man sehen, ob dieses Arrangement demselben einseitigen, transaktionsbestimmten „America First“-Ansatz unterliegen wird, der auch die sonstige US-Politik unter Trump bestimmt. Falls ja, werden die asiatischen Regierungen weniger geneigt sein, dabei mitzumachen.
Indem er während der letzten drei Jahre einen großen Teil des guten Willens Asiens verspielt hat, hat Trump die Chancen auf eine Übereinstimmung in Sicherheitsfragen deutlich verringert.
Wie weit wird China gehen, sein Modell des "autoritären Kapitalismus" als Alternative voranzutreiben?
Während die politisch-militärische Dimension der entscheidende Faktor des neuen Kalten Krieges ist und das Wirtschaftliche der davon abhängige Faktor, wird die ideologische Konfrontation eine verstärkende Rolle spielen. Die Schlüsselfrage ist auch hier, wie weit China dabei gehen wird, sein Modell des „autoritären Kapitalismus“ als „überlegene“ Alternative zur freiheitlichen Demokratie voranzutreiben.
Falls China sein Modell genauso aggressive forciert, wie das einst die Sowjetunion getan hat, wird der neue Kalte Krieg alle Zutaten des ursprünglichen Kalten Krieges aufweisen. Je aggressiver China beim „Verkauf“ seines Modells vorgeht, desto wahrscheinlicher ist es, dass die demokratischen Länder sich im Namen ihres eigenen ideologischen Systems gegen China zusammentun. Natürlich haben die führenden Demokratien die aktuelle Krise nicht gut gemeistert. Doch sind demokratische Prinzipien – der Respekt für die Menschenrechte, bürgerliche Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit – universelle Werte, die unter den Asiaten noch immer breite Unterstützung genießen, insbesondere im Vergleich zum Autoritarismus.
Chinas vom Wesen her ausbeuterischer Staat wird sich schwertun, die Bedingungen zu schaffen, in denen der Einzelne sein Potenzial ausschöpfen kann. Ebendies wird seinem Ziel, die USA als höchstentwickelte Volkswirtschaft der Welt abzulösen, im Wege stehen.
Asiatische Regierungen müssen für unterschiedliche Szenarien planen
Es bleibt abzuwarten, wie genau die drei Dimensionen des Konflikts miteinander interagieren. Die asiatischen Regierungen müssen daher umsichtig sein, anerkennen, dass sich die Situation im Fluss befindet, und für unterschiedliche Szenarien planen. Es würde den USA oder China dabei nicht schaden, ein bisschen mehr Bescheidenheit an den Tag zu legen. Dieser Charakterzug fällt einem leider nicht ein, wenn man an Trump oder Xi denkt. Doch um eine unbeabsichtigte Katastrophe zu vermeiden, wird er unverzichtbar sein.
Yoon Young-kwan