Desinfektionsmittel gegen Coronavirus?: Ärzte und Gesundheitsexperten üben massive Kritik an Donald Trump
Weltweit ringen Ärzte und Forscher um eine Covid-19-Behandlung. Der US-Präsident meldet sich mit abstrusen Vorschlägen zu Wort – und erntet Spott.
US-Präsident Donald Trump hat mit eigenwilligen Ideen für mögliche Therapieansätze gegen das Coronavirus für Aufsehen gesorgt. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstagabend (Ortszeit) im Weißen Haus ermunterte der US-Präsident Forscher unter anderem dazu, Möglichkeiten zu prüfen, Menschen direkt Desinfektionsmittel zu spritzen.
Das rief Ärzte, Gesundheitsexperten und Desinfektionsmittelhersteller auf den Plan: Sie alle warnen vor Empfehlungen von US-Präsident Donald Trump zur Therapie bei Ansteckungen mit dem Coronavirus.
„Machen Sie eine schlechte Situation nicht schlimmer“
„Das ist bislang einer der gefährlichsten und bescheuertsten Vorschläge zur Behandlung von Covid-19“, sagte am Freitag Professor Paul Hunter von der Universität East Anglia. Jeder Versuch dieser Art Behandlung würde vermutlich tödlich enden. „Das ist völlig verantwortungslos, da es bedauerlicherweise Leute gibt, die diesen Quatsch glauben und das an sich selbst ausprobieren könnten.“
Ähnlich äußerte sich der britische Konsumgüterkonzern Reckitt Benckiser, zu dessen Marken Sagrotan gehört. „Unter keinen Umständen“ sollten Desinfektionsmittel in den menschlichen Körper verabreicht werden – weder durch Einnahme oder Injektion noch auf irgendeine andere Weise, erklärte das Unternehmen, zu dessen Marken Sagrotan gehört, am Freitag.
Auch die Katastrophenschutzbehörde im US-Bundesstaat Washington sprach eine Warnung vor der Einnahme von Desinfektions- oder Reinigungsmitteln aus. „Machen Sie eine schlechte Situation nicht schlimmer“, erklärte die Behörde am Donnerstagabend auf Twitter.
Zwar können Viren mit ultavioletten Licht getötet werden. Medizinern zufolge ist es jedoch völlig unmöglich, dass dies auch für Coronaviren in Zellen des menschlichen Körpers gilt. „Viren, die sich in Organen des Menschen ausbreiten, kann man weder durch Hitze noch durch Sonnenbaden zerstören“, betonte die Professorin für Pharmamedizin am Londoner Kings College, Penny Ward. Sie ergänzte: „Reinigungschemikalien trinken ist tödlich. Reiniger zu spritzen tötet noch schneller. Beides sollte man lassen.“
Trump sinnierte bei der Pressekonferenz aber nicht nur über Desinfektionsmittel, sondern auch über Optionen, starkes Licht „in den Körper“ zu bringen, um Corona-Infektionen zu behandeln. Das sorgte für Spott, etwa in den Reihen der Demokraten.
Trumps Regierungsexperte: Bleiche als Anti-Coronavirus-Mittel
Trump nahm die Ausführungen eines Regierungsexperten zum Anlass für seine ungewöhnlichen Vorschläge. Dieser hatte zuvor erklärt, dass Bleich- und Desinfektionsmittel den Erreger Sars-CoV-2 zum Beispiel auf trockenen metallischen Flächen wie einer Türklinke rasch abtöteten.
Trump nahm darauf Bezug und sagte: „Gibt es einen Weg, wie wir so etwas machen könnten - durch spritzen oder fast säubern ... wäre interessant, das zu prüfen.“ Das sei natürlich Ärzten zu überlassen. „Aber es klingt für mich interessant.“
Experten zufolge können Seife, Desinfektions- und Bleichmittel das Virus bei äußerer Anwendung - also beim Händewaschen oder Putzen - zuverlässig abtöten. Es gibt jedoch bislang keine nachweislich wirksamen Medikamente oder Techniken, die den Erreger in infizierten Patienten ausschalten können.
Coronavirus - Bürger sollen in die Sonne gehen
Der Experte der Regierung hatte außerdem geschildert, dass sich die Lebensdauer des Erregers bei direkter Bestrahlung mit Sonnenlicht dramatisch verkürzt. Auch das nutzte Trump, um über mögliche Therapieansätze zu spekulieren.
[Mehr zum Thema: Wie das Virus sich unbemerkt in US-Städten verbreiten konnte]
„Nehmen wir mal an, wir behandeln den Körper mit einer enormen Menge, entweder ultraviolettes oder einfach starkes Licht“, sagte Trump. „Mal angenommen, man könnte das Licht in den Körper bringen, was man durch die Haut oder auf andere Weise tun kann.“ Forscher wollten wohl auch diese Möglichkeit prüfen. „Das ist ziemlich gewaltig.“
Er riet Menschen dazu, die Sonne zu genießen. „Und wenn das eine Wirkung hat, ist das toll.“
Mit seinen Vorschlägen handelte sich Trump Spott ein. Sein voraussichtlicher Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl im November, der Demokrat Joe Biden, etwa schrieb auf Twitter: „UV-Licht? Desinfektionsmittel injizieren?“ Trump solle sich lieber um mehr Corona-Tests und Schutzausrüstung für tatsächliche Mitarbeiter aus dem Gesundheitssystem kümmern.
USA derzeit weltweit am schwersten von Corona getroffen
Gemessen an absoluten Zahlen sind die Vereinigten Staaten international am schwersten von der Corona-Pandemie getroffen: Bis Donnerstagabend (Ortszeit) gab es in den USA nach Angaben von Forschern der Universität Johns Hopkins mehr als 860.000 bestätigte Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus.
Rund 50.000 Menschen kamen bislang in den USA infolge der Epidemie ums Leben. Die US-Regierung sieht inzwischen jedoch Fortschritte bei der Eindämmung der Epidemie in den Vereinigten Staaten.
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Es gebe vielversprechende Zeichen des Fortschrittes, sagte US-Vizepräsident Mike Pence bei der Pressekonferenz im Weißen Haus. „Wir glauben, dass wir bis zum Frühsommer als Nation deutlich besser dastehen könnten - mit einem Großteil dieser Coronavirus-Epidemie hinter uns.“
An vielen Orten im Land gingen die Infektionszahlen zurück, ebenso die Zahl der Menschen, die wegen einer Infektion ins Krankenhaus eingeliefert werden müssten. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie müssten zunächst jedoch fortgesetzt werden. Trump sprach ebenfalls von großen Fortschritten. Auch er mahnte jedoch, alle Bürger müssten wachsam bleiben und weiter soziale Distanz wahren.
Wirtschaft in den USA im freien Fall
Die Corona-Krise hat die US-Wirtschaft schwer getroffen. Das öffentliche Leben liegt in weiten Teilen lahm. Viele Geschäfte und Betriebe sind geschlossen. Infolge der Pandemie verloren innerhalb von fünf Wochen mehr als 26 Millionen Menschen ihren Job.
[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]
Der Kongress hatte im März bereits ein Konjunkturprogramm in Höhe von rund 2,2 Billionen Dollar beschlossen, um die Wirtschaft zu stützen.
Am Donnerstagabend (Ortszeit) wurden weitere Konjunkturhilfen auf den Weg gebracht: Nach dem US-Senat verabschiedete auch das Repräsentantenhaus mit überwältigender Mehrheit ein weiteres Konjunkturpaket in Höhe von 484 Milliarden US-Dollar (446 Milliarden Euro).
Damit soll unter anderem ein bestehendes Kreditprogramm für kleine und mittlere Unternehmen um rund 320 Milliarden Dollar aufgestockt werden - mit dem Ziel, den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu begrenzen. (dpa)