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Politik: Armenier-Genozid kein Schulthema

Bundesregierung verweist auf die Länder / Grüne sprechen von Skandal

Berlin - Auch zwei Jahre nach der Verabschiedung einer Bundestagsresolution zum Völkermord 1915/16 an den Armeniern ist der Genozid fast nirgendwo Thema im deutschen Schulunterricht. Indirekt gab das jetzt die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion zu. Auf die Frage das Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, was die Bundesregierung tun wolle, um dem brandenburgischen Vorbild – nur dort sei der Völkermord in den Rahmenlehrplan aufgenommen worden – deutschlandweit zur Geltung zu verhelfen, antwortete das Auswärtige Amt nur knapp: „Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Gestaltung der Lehrpläne unter die Kulturhoheit der Länder fällt.“ Zur Frage einer deutschen Mitverantwortung für die Massaker heißt es, die Rolle des Deutschen Reiches bei den Ereignissen im Osmanischen Reich sei von der historischen Wissenschaft „nicht abschließend erforscht“.

Armenische Verbände gehen davon aus, dass der Völkermord bisher nur in Brandenburg Thema im Unterricht ist. Erst im Februar hatte die Deutsch-Armenische Gesellschaft in einem Brief unter anderen an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Bildungsministerien der Länder erklärt, oberstes Ziel der Kultusministerkonferenz müsse es sein, Material für den Geschichtsunterricht zu entwickeln. In der Bundestagsresolution aus dem Jahre 2005 hieß es, einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung könnten die Bundesländer mit ihrer Bildungspolitik leisten. Hinsichtlich der Umsetzung habe sich „nicht viel getan“, beklagte die Gesellschaft.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Fritz Kuhn, nannte es einen „schwer erträglichen Skandal, zu wissen, wie deutsche Schulbücher über den Völkermord an den Armeniern noch immer schweigen“. Kuhn hielt in der Frankfurter Paulskirche die Rede bei der diesjährigen zentralen Gedenkfeier für die Opfer des Genozids, der sich am Dienstag zum 92. Mal jährte. Er sprach dabei auch die Verstrickung der deutschen Regierung an: „Man wusste in Deutschland eindeutig Bescheid.“ Zugleich beklagte er den großen Widerstand in der Türkei, wenn es darum gehe, der historischen Wahrheit ins Auge zu sehen. „Das Verschweigen und Relativieren des Genozids an den Armeniern gehört nach wie vor zum Gründungsmythos der modernen Türkei.“

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