Union und SPD wollen gleichen Lohn für Frauen und Männer: Arbeitgeber lehnen Gesetz zur Lohnangleichung ab
Männer und Frauen sollen gleich entlohnt werden. Dies wollen zumindest Union und SPD durchsetzen. Die Arbeitgeber sind dagegen. Noch verdienen Frauen im Schnitt 22 Prozent weniger.
Union und SPD haben sich darauf verständigt, die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen abzubauen. In allen rund 2200 Betrieben mit Mitbestimmung und im öffentlichen Dienst würden die Tarifpartner künftig per Gesetz „zum Abbau von Entgeltunterschieden verpflichtet“, sagte die SPD-Verhandlungsführerin der Arbeitsgruppe Frauen und Familie, Manuela Schwesig, am Samstag in Berlin. Damit sei „ein Meilenstein für mehr Gleichstellung im Erwerbsleben“ gesetzt.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lehnt die geplanten Gesetzesvorgaben ab. „Ein Entgeltgleichheitsgesetz, weitere bürokratische Regulierung oder die verbindliche Einführung von Lohnmessinstrumenten sind nicht erforderlich und belasten unnötig die Unternehmen“, sagte ein BDA-Sprecher dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“.
Die bestehenden Entgeltunterschiede seien „fast ausschließlich auf das unterschiedliche Berufswahlverhalten von Frauen, längere Erwerbsunterbrechungen und die häufigere Teilzeitarbeit in geringem Stundenumfang zurückzuführen“. Bei ähnlicher Erwerbsbiografie und gleichem Beruf dagegen ließen sich kaum Lohndifferenzen feststellen. Und bei gleicher Tätigkeit und gleichem Arbeitgeber sei Lohndiskriminierung ohnehin bereits verboten.
Insbesondere die typischen Frauenberufe seien schlecht bezahlt
Konkret einigten sich Union und SPD auf dreierlei: eine gesetzliche Verpflichtung zur Lohntransparenz, den gemeinsamen Abbau der jeweiligen Lohnunterschiede durch die Tarifpartner und eine Dokumentationspflicht über entsprechende Bemühungen. Die Angaben über die jeweilige Bezahlung sollen anonymisiert und betriebsintern erfolgen.
Laut Statistischem Bundesamt verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Seit Jahren kämpfe die SPD dafür, diese Lohnungerechtigkeit zu beseitigen, sagte Schwesig. Insbesondere die typischen Frauenberufe seien schlecht bezahlt, betonte die Verhandlungsführerin der Union, Annette Widmann-Mauz (CDU). Um dies zu ändern, müsse man „gemeinsam mit den Tarifparteien zu einer Neubewertung dieser Berufe kommen“.
Am leichtesten sei die Einigung auf einen individuellen Auskunftsanspruch der Betroffenen über Gehaltsunterschiede in ihren Unternehmen gewesen, berichtete Schwesig. Allerdings habe dies den Sozialdemokraten nicht genügt. „Uns ging es um strukturelle Transparenz – egal, ob einer beim Chef nachfragt oder nicht.“ Und diesbezüglich appelliere man nun nicht mehr nur an den guten Willen der Arbeitgeber, sondern verpflichte sie dazu in einem verbindlichen Verfahren. In allen größeren Betrieben mit Mitbestimmung und im öffentlichen Dienst könnten sich die Beschäftigten über den Betriebsrat nach Entgeltberichten und Fortschritten bei der Lohnannäherung erkundigen. Und die Betriebsräte würden es sich „wohl kaum gefallen lassen“, sagte die SPD-Politikerin, wenn ihre Unternehmen gegen die gesetzliche Verpflichtung verstießen.
Damit man beim Abbau der Lohnunterschiede schnell vorankommt, einigten sich die Unterhändler auch auf eine „ausgewogene Besetzung“ der jeweiligen Tarifkommissionen mit Männern und Frauen. Und gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen die Koalitionäre außerdem komplette Berufsfelder mit der Bewertung von Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen neu definieren. Das Ziel des Ganzen: eine Aufwertung frauentypischer Berufe in Pflege, Betreuung und frühkindlicher Bildung – auch und gerade in der Bezahlung. Die Gewerkschaften wollten die Einigung am Samstag noch nicht kommentieren.
Ein Test soll die ungleiche Bezahlung in Betrieben aufdecken
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) will Unternehmen ab Montag zu einem vertraulichen Test bewegen, um die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen in Deutschland aufzudecken. „Ich unterstelle keinem Unternehmen, Arbeitnehmerinnen bewusst zu diskriminieren“, sagte ADS-Leiterin Christine Lüders dem Tagesspiegel am Sonntag. Dennoch könne es kein Zufall sein, dass Frauen in Deutschland durchschnittlich fast ein Viertel weniger Geld als Männer verdienten. Wer sich prüfen lasse, erhalte ein Zertifikat und könne entsprechend damit werben. „Die Ergebnisse werden nicht öffentlich gemacht“ betonte Lüders.
Europaweit liegt der Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern bei durchschnittlich 18 Prozent. Am gerechtesten geht es dabei in Ländern wie Schweden, Italien und Portugal zu. Deutschland gehört zusammen mit Österreich und Tschechien zu den Schlusslichtern.