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Der Preis des Aufstandes: Arabisches Geld für Syriens Rebellen

Mehrere arabische Länder wollen Syriens Oppositionelle mit Millionenbeträgen unterstützen. Sie sollen abtrünnigen Soldaten zugutekommen. Aber hilft das dem Land?

Die reichen Ölstaaten am Persischen Golf öffnen ihre Geldbörse für die syrische Opposition: Bis zu 200 Millionen Dollar wollen Saudi-Arabien, Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate an den Syrischen Nationalrat (SNR) überweisen. Das wurde am Rande der Istanbuler Syrien-Konferenz vom Sonntag durch Gegner von Präsident Baschar al Assad bekannt. Damit hätten die Araber ein großes Loch in den Friedensplan von UN-Vermittler Kofi Annan geschossen, kommentierte die Istanbuler Zeitung „Radikal“: Annan hat mehrmals vor weiterer Militarisierung des Konflikts gewarnt. Doch Annans Pläne verlieren an Rückhalt, nach Einschätzung von Experten wächst die Wahrscheinlichkeit eines großen Bürgerkrieges – ein Konflikt, der auch ein Stellvertreterkrieg konkurrierender Machtinteressen in Nahost wäre.

Annan selbst trat am Montagabend mit der Nachricht an die Öffentlichkeit, die Waffen in Syrien würden am 10. April schweigen. Das syrische Regime habe der Waffenruhe zugestimmt. Er vermisse, sagte Annan einschränkend, dort allerdings ein Gefühl für die Dringlichkeit dieses Ziels.

Mit dem Fonds sollen unter anderem Gehälter abtrünniger syrischer Regierungssoldaten bezahlt werden. Viele Details blieben jedoch auch nach der Istanbuler Konferenz unklar. Kein einziger arabischer Staatsmann ließ sich namentlich in Berichten über die Millionenüberweisungen zitieren. Einige syrische Oppositionsvertreter äußerten Zweifel daran, dass das Geld wirklich fließen werde. Auch darüber, ob das Geld unmittelbar der Finanzierung von Waffen dienen werde, wurde geschwiegen. Kritische Stimmen warnen: Waffenlieferungen an die Opposition seien „sehr falsch“. Die USA sagten die Lieferung von modernem Kommunikationsgerät für die syrische Opposition zu.

Der Geldsegen ist Ausdruck der wachsenden Ungeduld eines Teils der internationalen Gemeinschaft. Annans Friedensbemühungen hätten nichts gebracht außer neuen leeren Versprechungen des Assad-Regimes, lautet das Urteil von Saudi-Arabien und anderen, dem sich auch die Türkei immer offener anschließt. Also soll gehandelt werden. Immer weniger Staaten, besonders in der Nahost-Region selbst, sind bereit, auf Ergebnisse von Verhandlungen zu warten. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach in Istanbul ganz offen vom Recht der Syrer auf Selbstverteidigung.

Die Gefahr eines Bürgerkriegs ist nicht gebannt. Im Gegenteil

Nahost-Experten im syrischen Nachbarland Türkei sehen deshalb die Gefahr weiterer Eskalation. Zwar rechnet nach wie vor niemand mit einem groß angelegten militärischen Eingreifen des Westens. Doch unterhalb dieser Schwelle werde es immer offenere und militärischere Unterstützung für die Assad-Gegner geben.

Ein Bürgerkrieg in Syrien werde unausweichlich, wenn der Westen es nicht schaffe, Russland im Sicherheitsrat zu einer weniger Assad-freundlichen Haltung zu bewegen, sagte Cenap Cakmak, Politologe an der Osmangazi-Universität im westtürkischen Eskisehir, am Montag dem Tagesspiegel. Immerhin verlangte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montag ungewöhnlich deutlich, Assad solle die Regierungstruppen aus den umkämpften Städten abziehen. Aber nicht nur die Auseinandersetzung zwischen Assad und seinen innersyrischen Gegnern spielt bei all dem eine Rolle. Assad wird vom schiitischen Iran unterstützt, der bei einem Machtwechsel in Damaskus einen wichtigen Verbündeten verlieren würde. Den schiitischen Kräften stehen die sunnitisch beherrschten Regimegegner in Syrien gegenüber – und damit auch die sunnitischen Golfstaaten, die den iranischen Einfluss in ihrer Region bekämpfen wollen. Dass sich die syrische Konfrontation zu einem solchen Stellvertreterkrieg auswächst, ist laut Experten möglich. „Meine Befürchtung ist, dass sich die Polarisierung in Syrien und der ganzen Region verstärkt,“ sagte Mehmet Sahin, Nahost-Experte an der Gazi-Universität von Ankara. „Man darf nicht vergessen, dass Assad von einem Teil der Bevölkerung unterstützt wird.“

Die Erwartungen richten sich nun auf das nächste Treffen der „Freunde Syriens“ in den kommenden Wochen in Paris. Er hoffe, dass sich alle Beteiligten über die Gefahr eines Bürgerkrieges bewusst seien, sagte Celalettin Yavuz, Vizedirektor der Ankaraner Denkfabrik Türksam. Nach der Istanbuler Konferenz wird sich zeigen, inwieweit diese Warnungen noch Gehör finden. Von einem Akteur erwartet allerdings niemand eine Positionsveränderung, die den Konflikt entschärfen könnte: Die syrische Führung werde wohl kaum einlenken, sagte Politologe Cakmak. „Assad weiß, dass er wegen Kriegsverbrechen vor einem internationalen Gericht landen wird, wenn er entmachtet wird. Für ihn gibt es keinen Weg zurück.“

Thomas Seibert

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