Besuch bei PKK-Gründer Abdullah Öcalan: Anwälte fordern "demokratische Verhandlungen"
Staatschef Recep Tayyip Erdogan droht, Syriens Kurden anzugreifen. Zur gleichen Zeit geht die türkische Regierung auf PKK-Gründer Öcalan zu.
Während die entscheidende Schlacht um Idlib beginnt, zeichnet sich 100 Kilometer östlich ein weiteres Drama ab. Die türkische Armee beschießt Kurden-Camps und droht, die Rojava genannte Autonomiezone in Nordsyrien großflächig anzugreifen. Dort regiert eine Koalition unter Führung der säkularen PYD. Sie gilt als Schwesterpartei der auch in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Derzeit befinden sich zudem 7000 überwiegend türkische Kurden im Hungerstreik. Sie fordern ein Ende der Isolation des seit 1999 inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan.
Nun, erstmals seit 2011, durften zwei Anwälte ihn am 2. Mai auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen. Auch mit Blick auf Syrien sagten die Juristen in Istanbul: „Für die Lösung der Probleme besteht starker Bedarf an einer Methode demokratischer Verhandlungen, jenseits jeglicher Polarisierung und Konfliktkultur.“ Zuletzt hatte sich einer von Öcalans Ex-Anwälten im deutschen Exil gemeldet.
Linke: "Konfuse Syrienpolitik der Bundesregierung"
In Syrien erkennen Frankreich und die USA die Öcalan-nahe PYD und deren Miliz YPG als Vertreter der Kurden an – und helfen ihr im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Die deutsche Regierung distanziert sich aus Rücksicht auf den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan von Syriens Kurden. Indirekt aber gibt es offenbar Gespräche. So gibt Außenamt-Staatsminister Niels Annen (SPD) auf Linke-Anfrage zu, dass der BND in Nordsyrien operiere. Ohne Duldung durch die YPG wäre das kaum möglich. Darüber hinaus hat die Bundesregierung 2017 und 2018 zusammen etwa 22 Millionen Euro an humanitärer Hilfe in Nordsyrien geleistet; mehrheitlich über das UN-Kinderhilfswerk oder Minenräumprojekte.
„Die Regierung macht sich mit konfuser Syrienpolitik praktisch zum verlängerten Arm des Erdogan-Regimes“, sagte die Bundestagsabgeordnete Evrim Sommer (Linke). Berlin erkenne den Beitrag der Kurden im Anti-IS-Kampf an, verweigere ihnen aber die politische Anerkennung. In Deutschland dürfen Fahnen der YPG zuweilen nicht auf Demonstrationen gezeigt werden, obwohl mit YPG-Symbolen auch US-Soldaten in Syrien gesehen wurden.
Will Ankara das syrische Kurdistan besetzen - oder wird Assad das tun?
Kurden-Politiker und US-Militärs befürchten, Erdogan wolle Nordsyrien womöglich annektieren. Dazu braucht Erdogan den Segen Moskaus, das wiederum möchte das Kurdengebiet am liebsten wieder Syriens Herrscher Baschar al Assad zuschlagen. Schon 2018 besetzte die türkische Armee das syrisch-kurdische Afrin, das nun durch eine Mauer von Syrien isoliert wird. Syriens Herrscher Assad wiederum hat angekündigt, ganz Syrien zurück erobern zu wollen. Seine Schutzmacht Russland verhandelt dazu seit Monaten regelmäßig mit der Türkei - die Kurden sind bei diesen Gesprächen nicht dabei.