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US-Präsident Donald Trump
© Reuters/Jonathan Ernst

Trump gegen Biden: Anständige Konservative haben die Wahl bereits verloren

Donald Trump hat sie politisch heimatlos gemacht – die echten, wahren Konservativen. Für den Präsidenten sind sie „menschlicher Abschaum“. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Konservative mögen Ordnung, Stabilität und Rechtsstaatlichkeit. Sie schätzen Anstand, Charakter und Tugenden. Sie achten auf Haushaltsdisziplin und ziehen das Bewährte dem Risiko vor. In diesem Sinne ist Donald Trump kein Konservativer. Er verachtet die bürgerliche Ordnung und das Partei-Establishment, verhöhnt Medien, Muslime und Mexikaner, äußerst sich ungeniert sexistisch und narzisstisch. Er lügt und spaltet. Seine Religiosität geht über das trotzige Vorzeigen einer Bibel nicht hinaus.

Trump ist sogar das Gegenteil eines Konservativen. In Rhetorik und Taten eher revolutionär als evolutionär. Das hat echte Konservative stets empört. Darunter waren Prominente wie Mitt Romney, der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner, George W. Bush, der ehemalige Präsident, Colin Powell, der ehemalige Außenminister, Bill Kristol, Ex-Chefredakteur des „Weekly Standard“, moderate „Never-Trump“-Republicans, Aktivisten vom „Lincoln Project“.

Diese echten, anständigen Konservativen gehören am 3. November zu den großen Wahlverlierern. Wenn Joe Biden mit Abstand gewinnt und die Demokraten womöglich beide Häuser des Kongresses beherrschen, wurde das Nahziel – Trumps Abwahl – zwar erreicht, doch ziemlich schnell dürfte das Gefühl der politischen Heimatlosigkeit zurückkehren. Starke linksliberale Kräfte innerhalb der Demokraten, Bernie Sanders zum Beispiel und seine Getreuen, werden sich ihre Unterstützung Bidens etwas kosten lassen.

Der Platz zwischen allen Stühlen

Sollte Biden knapp gewinnen, werden die Republikaner den Vorwurf des Verrats an die Adresse der Abtrünnigen erneuern. Trump hatte vor einem Jahr über die „Never-Trump-Republicans“ getwittert, diese seien „menschlicher Abschaum“ und „schlimmer und gefährlicher für unser Land als die Do-Nothing-Democrats“. Damit gab er den Ton vor. Nicht ausgeschlossen, dass seine leidenschaftlichsten Anhänger die Abtrünnigen zur Rechenschaft ziehen.

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Sollte wiederum Trump gewinnen, werden echte Konservative innerhalb der Republikanischen Partei weiter isoliert. Jeder Anreiz zu einer inhaltlichen Erneuerung wäre dahin.

Ohnehin erschöpfen sich Trumps programmatische Reden zunehmend in Beleidigungen seiner Gegner – den „liberals“, „socialists“ und Mitgliedern der „Antifa“. Eine davon unabhängige Agenda ist nicht mehr zu erkennen. Er hat das Gros der Partei sich Untertan gemacht, indem es ihm gelang, die Basis gegen die Funktionäre zu mobilisieren.

Die echten, anständigen Konservativen sitzen zwischen allen Stühlen. Wie heißt es so schön? Das kann ein Ehrenplatz sein. Manchmal ist politische Heimatlosigkeit eben der Preis dafür, morgens in den Spiegel schauen zu können.

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