Syrien: Annan wird Sonderbeauftragter
Seit bald einem Jahr geht das Assad-Regime brutal gegen das eigene Volk vor. Die Welt sah dem Morden bisher weitgehend hilflos zu. Jetzt soll der Druck erhöht werden.
Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan ist neuer Syrien-Sondergesandter von Vereinten Nationen und Arabischer Liga. Der 73 Jahre alte Friedensnobelpreisträger aus Ghana soll sich im Namen der beiden Organisationen für ein Ende der Gewalt und der Menschenrechtsverletzungen in dem arabischen Land einsetzen.
Angesichts der dramatischen Lage will heute (Freitag) auch die neue internationale Syrien-Kontaktgruppe bei ihrem ersten Treffen in Tunis nach Wegen zur Beendigung des Blutvergießens suchen. Ein militärisches Eingreifen steht dabei nicht zur Debatte.
Das Regime von Machthaber Baschar al-Assad gibt sich von den internationalen Bemühungen unbeeindruckt. Sicherheitskräfte griffen die Hochburgen der Opposition auch am Donnerstag mit erbarmungsloser Härte an. Landesweit starben nach Angaben von Aktivisten mindestens 47 Menschen.
In den Oppositionshochburgen wird die Lage immer verzweifelter: Medikamente und Lebensmittel gehen zur Neige. Zahlreiche Organisationen aus der arabischen Welt appellierten angesichts der dramatischen Lage an die Kontaktgruppe, rasch eine gemeinsame Strategie für ein Ende der Gewalt zu entwickeln. Die Menschenrechtsverletzungen müssten sofort gestoppt werden.
Kofi Annan werde als neuer Sondergesandter mit allen Beteiligten in und außerhalb Syriens nach einer friedlichen Lösung der Krise suchen, teilten UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und der Chef der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, in einer am Donnerstagabend in New York verbreiteten Erklärung mit. Man sei dankbar, dass er diese wichtige Aufgabe in dieser schwierigen Lage für die Menschen in Syrien angenommen habe. Annan stand als Generalsekretär von 1997 bis 2006 an der Spitze der Weltgemeinschaft. Für seine neue Aufgabe wird ihm ein Stellvertreter aus dem arabischen Raum beiseite gestellt.
Auf einer internationalen Konferenz will heute die Weltgemeinschaft über Wege zu einem Ende der Gewalt in Syrien beraten und den Druck auf die Führung von Präsident Assad erhöhen. An dem Treffen der Freunde des syrischen Volkes in Tunis nehmen Vertreter von rund 60 Staaten und internationalen Organisationen teil, darunter zahlreiche Außenminister der EU und der Arabischen Liga. Eingeladen sind auch Gegner Assads wie der Syrische Nationalrat und andere Oppositionsgruppen. Russland und China sagten ihre Teilnahme dagegen ab. Beide Länder lehnen eine Einmischung in den Syrien-Konflikt ab. Die USA kündigten im Vorfeld der Konferenz an, bei dem Treffen Vorschläge für humanitäre Hilfe in Syrien vorzustellen. Für Deutschland nimmt Außenminister Guido Westerwelle teil. Bei dem Treffen soll die syrische Opposition gestärkt und über eine Verschärfung der Sanktionen beraten werden. Auch die humanitäre Hilfe wird Thema sein.
Vorbild für die „Gruppe der Freunde des syrischen Volkes“ ist die sogenannte Libyen-Kontaktgruppe, mit der im vergangenen Jahr die Opposition gegen den damaligen Machthaber Muammar al-Gaddafi unterstützt wurde. Der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) ist in Tunis ebenfalls dabei. Auf eine formelle Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft kann der SNC allerdings noch nicht hoffen.
Der deutsche Nahost-Experte Günter Meyer sieht die Erfolgschancen der Syrien-Kontaktgruppe eher skeptisch. Die geplante Aufwertung des Syrischen Nationalrats (SNC) als Vertretung der Opposition werde an der Lage in Syrien nichts ändern, sagte der Professor an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Assad habe auch heute noch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. „Die einzige Chance auf eine Lösung wäre, alle syrischen Parteien an einen Tisch zu bringen“, sagte Meyer.
Angesichts der Notlage der Zivilbevölkerung wollen internationale Organisationen ihre humanitäre Hilfe besser koordinieren und zugleich der Forderung nach Feuerpausen gemeinsam Nachdruck verleihen. Darauf verständigten sich am Donnerstag die Teilnehmer eines Treffens in Genf, für das die Schweiz die Initiative ergriffen hatte. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef beklagte, dass auch immer mehr Kinder dem Konflikt zum Opfer fallen. „Rufe der internationalen Gemeinschaft nach einem Ende der Gewalt wurden nicht gehört. Und so werden immer mehr Kinder getötet und verletzt“, sagte der Chef des UN-Kinderhilfswerks, Anthony Lake, in New York.
(dpa, AFP)
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