zum Hauptinhalt
Experten schätzen die Kosten der Pläne der Populisten auf mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr.
© Arno Burgi dpa/lsn

Pläne der neuen Regierung in Rom: Anleger haben Angst vor einer Staatspleite in Italien

Die neue Regierung in Italien will noch mehr Schulden machen – die Kurse an den Börsen fallen.

Der Aktienmarkt in Mailand ist seit Tagen auf Talfahrt. Die Börsen sind alarmiert, nachdem die populistischen Parteien der künftigen Regierung angekündigt haben, noch mehr Schulden zu machen. Italien ist mit 131,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts schon jetzt das nach Griechenland am höchsten verschuldete Land der EU.

Droht dem Land die Pleite? Wer kauft noch Italiens Staatsanleihen, wenn das Land seine Schulden möglicherweise nicht bedienen kann? Die Kurse der italienischen Staatsanleihen sinken bereits jetzt, weil sich Anleger zurückziehen. Wenn aber der Kurs einer Staatsanleihe sinkt, steigt der Zinssatz auf diesen neuen Kurs. Die Regierung muss bei neuer Schuldenaufnahme höhere Zinsen zahlen.

Warnschuss kam von der Ratingagentur Fitch

Ein Warnschuss kam von der Ratingagentur Fitch. Sie sieht steigende Risiken und die Gefahr einer Vertrauenskrise. Sollte das Regierungsprogramm der beiden Parteien umgesetzt werden, drohten ein drastischer Anstieg der Verschuldung und eine Abstufung des Landes. Die Bewertung durch die Ratingagenturen ist nur zwei Stufen vom Ramschstatus entfernt. Alle Rating-Agenturen wollen im Sommer und Herbst die Lage Italiens neu begutachten.

Die Umsetzung des Regierungsprogramms der beiden Parteien würde das Defizit deutlich nach oben treiben. Es sieht unter anderem die Einführung einer Flat Tax mit nur noch zwei Steuersätzen (15 Prozent bei Einkommen bis 80.000 und 20 Prozent bei Einkommen über 80.000 Euro) und eines Grundeinkommens von 780 Euro monatlich, die Absenkung des Rentenalters, den Verzicht auf eine Mehrwertsteuererhöhung, ein großes Infrastrukturprogramm und die teilweise Rückführung der Arbeitsmarktreform des früheren Premierministers Matteo Renzi vor.

Künftige Regierungspartner verbitten sich „Einmischungen“

Wirtschaftsinstitute schätzen die Gesamtkosten auf mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr und erwarten einen Anstieg des Haushaltsfehlbetrags von derzeit 2,4 auf 5,5 Prozent. Die Koalitionspartner wollen die Wirtschaft ankurbeln und gehen von geringeren Kosten aus. Wirtschaft, EU und Nachbarländer sind sehr beunruhigt, weil Italien alle europäischen Verträge neu verhandeln will und mit dem Gedanken an ein Referendum zum Euro spielt (siehe nebenstehenden Bericht).

Die künftigen Regierungspartner verbitten sich aber „Einmischungen“ etwa des französischen Wirtschaftsministers Bruno Le Maire, der die Stabilität der Euro-Zone bedroht sieht, oder deutscher EU-Parlamentarier wie Elmar Brok und Manfred Weber, die einen wirtschaftlichen Einbruch Italiens fürchten.

Die Regierungspläne der beiden Parteien unter dem neuen Premier Giuseppe Conte gefährden die wirtschaftliche Erholung des Landes. Italien wächst in diesem Jahr immerhin um 1,4 Prozent. Die Exporte sind um sieben Prozent gewachsen, die privaten Investitionen in den letzten drei Jahren um 30 Prozent. Zumindest in Norditalien hat sich die Beschäftigungssituation deutlich verbessert: In den letzten Jahren entstanden eine Million neue Jobs.

Auch Volkswirte sind alarmiert

Und auch unter ausländischen Investoren hat Italien gewonnen. Der Chef der Industriellenvereinigung Confindustria, Vincenzo Boccia, mahnt: „Wir können nicht verteilen, was wir nicht erwirtschaftet haben.“

Auch Volkswirte sind alarmiert. Gustavo Piga, Professor für politische Ökonomie in Rom, verlangt deutliche Signale, dass der Euro nicht angetastet wird. „Es ist richtig, dass die Märkte hier Klarheit verlangen.“ Der frühere OECD-Ökonom Carlo Cottarelli warnt davor, die Ausgaben zu erhöhen und die Staatsschulden steigen zu lassen. Grundsätzlich sind italienische Ökonomen weniger stabilitätsfixiert als deutsche. So plädierte der ehemalige EU-Kommissar und Ex-Ministerpräsident Mario Monti kürzlich für mehr Flexibilität bei der Anwendung der EU-Regeln. Diese Haltung entspricht einem sehr breiten Konsens im Land.

Gerhard Bläske

Zur Startseite