Loveparade-Unglück von Duisburg: Anklage: Bürgermeister und Organisatoren bleiben verschont
Mehr als drei Jahre nach dem Loveparade-Unglück will die Staatsanwaltschaft Duisburg kommende Woche Anklage erheben. Wer wird sich für die Fehler in der Planung verantworten müssen?
Für Adolf Sauerland ist es ein Tag wie viele andere in den zurückliegenden Monaten. Er arbeitet seit seiner Abwahl als Oberbürgermeister von Duisburg wieder im Reisebüro seiner Familie. Zu den vielen Sätzen, mit denen er seine persönliche Verantwortung für die Loveparade-Katastrophe verneint hat, mag er nichts mehr hinzufügen. Was er mit den 21 Toten an jenem verhängnisvollen Samstag im Juli 2010 zu tun hat, hat er unzählige Male gesagt : „Ungefähr so viel, wie jedes der anderen 74 Ratsmitglieder auch“, lautet sein Standardsatz, wenn er zu seiner persönlichen Verantwortung gefragt wird. Dass die Staatsanwaltschaft jetzt gegen ihn keine Anklage erhebt, gibt ihm das Gefühl, mit seiner Einschätzung richtig zu liegen; wobei er vorsichtig genug ist, das nicht allzu laut zu formulieren.
In der Tat haben die Ankläger jetzt nach mehr als drei Jahren intensiver Recherche dem Landgericht Duisburg die Anklageschrift zugestellt; wie seit einiger Zeit zu erwarten war, wollen sie nach Tagesspiegel-Informationen die eigentlich Verantwortlichen für das Desaster nicht vor Gericht zerren: also weder den damaligen Oberbürgermeister Adolf Sauerland, noch den Chef des Loveparade Veranstalters Rainer Schaller oder Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe, der für Sauerland die Duisburger Verwaltung mächtig unter Druck gesetzt hatte, wie viele Aktenfunde belegen.
Heftige Gefechte mit dem Generalstaatsanwalt
Obwohl sich die Ankläger Mühe gegeben haben, auch die eigentlichen Treiber des Großereignisses strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, ist ihnen das am Ende nicht gelungen. Dabei lieferten sich die Duisburger sogar heftige Gefechte mit der vorgesetzten Behörde, dem Generalstaatsanwalt in Düsseldorf; am Ende glaubte man allerdings nicht an den Erfolg einer Anklage. „Die haben sich an die gehalten, die am Ende ihre Unterschrift gegeben oder nicht heftig genug opponiert haben“, erläutert dazu einer, der die Akten kennt und darauf achten musste, dass sich die Justiz bei der Aufarbeitung der Katastrophe nicht ähnlich blamiert wie die Revierstadt.
Die Duisburger Richter werden sich in den kommenden Monaten durch die Aktenberge fressen und müssen am Ende entscheiden, gegen wen sie die Anklage zulassen. Die Staatsanwälte haben ihre Sicht der Dinge dargestellt, nachdem sie mehr als 3500 Zeugen vernommen, 900 Stunden Videomaterial ausgewertet und ihr Aktenbestand 35 000 Seiten überschritten hat. Dabei lässt sich das eigentliche Geschehen mit wenigen Worten zusammenfassen: die Loveparade hätte an diesem Ort niemals so genehmigt werden dürfen! Nicht zuletzt der britische Gutachter Keith Still hat den Verantwortlichen vorgerechnet, was sie selbst hätten wissen können: „Die Streckenführung durch den Tunnel war für die erwartete Zahl an Menschen völlig ungeeignet“.
Schriftstücke werden Mitarbeitern der Stadtverwaltung zum Verhängnis
Für einige Mitarbeiter der Stadtverwaltung wird es dagegen zum Verhängnis, dass sie ähnliche Sorgen vorher schriftlich artikuliert haben. „Ich lehne aufgrund dieser Problemstellung eine Zuständigkeit und Verantwortung ab“, hat etwa Baudezernent Jürgen Dressler vor dem Ereignis auf einer Unterlage handschriftlich festgehalten, daraus leiten die Staatsanwälte jetzt eine direkte Verantwortung Dresslers ab. Denn trotz dieser Warnung hatte er offenbar nicht den Mut, seine kritische Haltung vorher offen zu legen und sich damit dem Wunsch und Willen des Oberbürgermeisters zu widersetzen – am Ende hat eine Mitarbeiterin Dresslers die Genehmigung erteilt; auch sie soll sich demnächst vor Gericht verantworten.
Dass Oberbürgermeister Sauerland die Loveparade unbedingt wollte und intern über seinen Vertrauten, den Ordnungsdezernenten Wolfgang Rabe, mächtig Druck aufgebaut hat, spielt strafrechtlich am Ende keine Rolle, denn nicht er, sondern seine Untergebenen haben die entscheidenden Aktenstücke unterschrieben. Belastende Papiere oder Mails wurden weder im Büro des Oberbürgermeisters noch bei Ordnungsdezernent Rabe gefunden, ihre Festplatten, so hielten es die Ermittler in mehreren Vermerken fest, waren wie leer gefegt. So könnte der Prozess in Duisburg zu einem Lehrstück über Verantwortung in großen Behörden werden, in dem die eigentlichen Macher straffrei ausgehen und statt dessen jene verurteilt werden, die sich nicht vehement genug gewehrt haben.
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