Türkei: Ankara sucht Drahtzieher des Putsches in Deutschland
Die türkischen Behörden unterstellen, einer der Anführer des Putsches lebe in Deutschland. Das hätte ernste Folgen für das angespannte deutsch-türkische Verhältnis.
Seit dem Umsturzversuch in der Türkei vor einem Jahr verlangt Ankara von Deutschland die Auslieferung mutmaßlicher Putschisten, doch kein Fall birgt so viel Sprengstoff für die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern wie der von Adil Öksüz. Sollte Öksüz in der Bundesrepublik leben, wie die türkische Regierung unterstellt, ist eine neue Krise im Verhältnis zwischen Berlin und Ankara absehbar. Öksüz gilt als Kopf der Umstürzler, die am 15. Juli 2016 versuchten, die Macht an sich zu reißen. Zudem ist seine Flucht nach dem Putsch aus Sicht der Regierung ein Zeichen für die Unterstützung des westlichen Auslands für die Umstürzler.
Verdacht der Verschleierung
Neben dem Prediger Fethullah Gülen ist Öksüz für Ankara die wichtigste Person in der Verschwörung gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die regierungsnahe Zeitung „Yeni Safak“ hatte berichtet, die Behörden in Baden-Württemberg hätten Öksüz eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt, dessen Namen aber anders als in anderen Fällen nicht in den normalen offiziellen Dokumenten verzeichnet. Damit solle der Aufenthalt von Öksüz in Deutschland verschleiert werden; der Flüchtige sei aber in Frankfurt am Main und in Ulm gesehen worden.
Ankara fordert die Bundesregierung auf, diesen Informationen nachzugehen und Öksüz auszuliefern, falls er sich tatsächlich in Deutschland aufhalten sollte. Die Bundesregierung erklärte, sie wisse nichts von einem angeblichen Aufenthalt von Öksüz in Deutschland.
Bindeglied zur Gülen-Bewegung
Der 50-jährige Öksüz ist ein Theologie-Dozent aus dem nordwesttürkischen Sakarya. Laut türkischen Medienberichten hatte er in der Gülen-Bewegung eine hohe Funktion inne. Er soll die Gülen-Anhänger innerhalb der türkischen Luftwaffe angeleitet haben. In dieser Rolle lenkte Öksüz am Abend des 15. Juli vergangenen Jahres angeblich im Auftrag des in den USA lebenden Gülen den Putschversuch gegen Erdogan.
Laut der türkischen Staatsanwaltschaft reiste Öksüz kurz vor dem versuchten Staatsstreich in die USA und kehrte zwei Tage vor dem Umsturzversuch in die Türkei zurück. Deshalb bildet Öksüz aus Sicht der türkischen Regierung das Bindeglied zwischen dem Putsch und Gülen - was für die türkische Forderung an die USA nach Auslieferung Gülens wichtig ist. In Deutschland haben mehrere hundert Gülen-Anhänger, darunter türkische Diplomaten und Offiziere, seit dem Putschversuch politisches Asyl beantragt.