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Angela Merkel im Bundestag.
© REUTERS/Fabrizio Bensch

Generaldebatte im Bundestag: Angela Merkel verliert ihre Stimme - aber nicht ihren Kurs

Eine Grippe macht Angela Merkel zu schaffen - und der Widerstand aus der CSU gegen ihre Flüchtlingspolitik. Eine Kursänderung deutet sie im Bundestag aber nicht an. Im Gegenteil.

Die Kanzlerin hörte sich nicht gut an. Ihre Stimme war rau und angegriffen. Eine Erkältung macht ihr offensichtlich zu schaffen. Aber Angela Merkel mag gesundheitlich angeschlagen sein - in der Frage der Flüchtlingspolitik bleibt sie trotz der Anwürfe aus der Schwesterpartei CSU bei ihrer Linie. Am Mittwoch bei der Generaldebatte zum Bundeshaushalt hat die Kanzlerin vom Protokoll her zwar auf den neuen Oppositionsführer Dietmar Bartsch von der Linken geantwortet. Praktisch aber hat sie eine Regierungserklärung abgegeben, in der sie den beiden großen Themen Flüchtlingen und Terror den größten Raum eingeräumt und einmal wieder erklärt hat, wie für sie die notwendigen Schritt aussehen und weshalb sie von diesen auch nicht abzuweichen gedenkt.

Merkel sieht offensichtlich keinerlei Notwendigkeit, auf ihre Kritiker insbesondere in der CSU einzugehen. Vielmehr dankt sie ausdrücklich denjenigen Menschen, die sich beruflich oder als Freiwillige für Flüchtlinge engagieren. Die Kanzlerin sieht "ein Netz der Hilfsbereitschaft und des Engagements, wie es eines in Deutschland noch nicht gegeben hat". Und natürlich haben die Menschen, so Merkel, ein Recht darauf, zu wissen, welchen Weg "die Bundesregierung weitergeht". "Wir haben viele Jahre lang nicht verstanden, dass das, was in Aleppo passiert, für Essen oder Stuttgart relevant sein kann", sagt sie. Diese Erkenntnis müsse sich jetzt auf die Außenpolitik genau so wie auf die Entwicklungspolitik auswirken. Sie dankte unter dem Applaus aller Fraktionen für die Anstrengungen der syrischen Nachbarländer im Umgang mit den zahlreichen Flüchtlingen.

Angela Merkel: "Wir brauchen langen Atem und Geduld"

Schnelle Lösungen in der Flüchtlingsdebatte stellte Merkel nicht in Aussicht. Und wer doch immer noch auf Haurucklösungen hofft, wird enttäuscht: "Dafür brauchen wir einen langen Atem und Geduld". In etwas abgewandelter Form wiederholte sie ihr auch seit Wochen vorgetragene Maxime "Wir schaffen das": „Wir schaffen das. Aber es wird vieler Anstrengungen bedürfen und auch eines hohen Maßes an neuem Denken.“

Merkels Schlagworte sind: Fluchtursachen bekämpfen und europäisch zusammenarbeiten. Hotspots zur Registrierung und Verteilung von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen würden nur funktionieren, wenn die entsprechenden Staaten auch auf ihre europäischen Partner vertrauen könnten. Gelänge das nicht, dann sei auch "der Schengenraum auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten", so Merkel. Und betont dabei auch noch einmal die "Schlüsselrolle der Türkei".

Von "Obergrenzen" oder "Kontingenten" hingegen spricht die Kanzlerin nicht, nur soviel: "Simple Abschottung Abschottung wird uns nicht das Problem lösen." Man brauche allerdings die EU als Ganzes, und dass das Erscheinungsbild Europa da derzeit verbesserungsmöglich sei, erwähnt sie auch, was sogar Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zum Kichern bringt.

Kanzlerin warnt vor Eskalation im Konflikt zwischen Türkei und Russland

Bartsch hatte zuvor davor gewarnt, den Kampf gegen den IS militärisch gewinnen zu wollen. An dieser Stelle geht die Kanzlerin ein einziges Mal indirekt auf Gregor Gysis Nachfolger ein und erklärt: Der Kampf gegen den IS sei derzeit "nur militärisch möglich". Für Syrien insgesamt aber sieht sie "nur eine politische Lösung".

Am heutigen Mittwoch reist Merkel noch nach Frankreich, um sich mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande zu treffen. Im Bundestag hat sie dem Nachbarland die deutsche Unterstützung im Kampf gegen den Terror zugesagt und dabei auch militärische Optionen eingeschlossen. "Wenn zusätzliches Engagement notwendig ist, dann werden wir das nicht von vornherein ausschließen", sagte Merkel. "Wir stehen solidarisch an der Seite Frankreichs im Kampf gegen den Terror." Ihr für den Abend geplantes Gespräch mit Hollande werde "davon bestimmt sein, dass wir gemeinsam mit unseren Freunden handeln werden". In ihrer Rede verwies sie auf die bereits geleisteten Beiträge Deutschlands. "Wir sind mit unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz und helfen bei der Bekämpfung des Terrors." Deutschland werde sein Engagement in Afghanistan verlängern und in Mali verstärken.

Die Kanzlerin warnte mit Blick auf den gestern von türkischer Seite abgeschossenen russischen Kampfjet vor einer Eskalation. In einem Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu habe sie am Dienstag darum gebeten, "alles zu tun, um die Situation zu deeskalieren", sagte Merkel. "Durch den Abschuss hat sich die Lage in der Region noch einmal verschärft", betonte Merkel.

Thomas Oppermann: "Gut integrierte Flüchtlinge sind am besten immunisiert gegen Salafisten und Hassprediger"

Auf den Konflikt mit der CSU ging Merkel in ihrer Rede nicht ein - das übernahm die Opposition. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bemängelte die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung und kritisierte die CSU für den Umgang mit Merkel. Solidarisch mit Merkels Flüchtlingspolitik zeigte sich auch Linken-Fraktionschef Bartsch.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann betonte in seiner Rede die Notwendigkeit einer breit angelegten Integrationspolitik. Er hat ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge gefordert, die sich in Deutschland gut integriert haben. "Wir müssen auch mehr Anreize schaffen, damit sich Integration lohnt", sagte er. Wer es in drei Jahren schaffe, die Sprache zu erlernen, eine Ausbildung zu machen und seinen Lebensunterhalt zu sichern, "der muss eine dauerhafte Perspektive unabhängig von seinem Flüchtlingsstatus bekommen". Wer dies nicht schaffe oder nicht wolle, müsse sich auf eine Rückkehr in sein Herkunftsland einstellen, wenn dort wieder sichere Verhältnisse herrschten.

Oppermann warnte vor Einsparungen in der Integrationspolitik. Sprache, Kita, Schule, Ausbildung, Arbeit und Wohnung, aber auch Werte und Regeln seien das ABC der Integration. "Da dürfen wir nicht kleckern, da müssen wir klotzen", sagte der SPD-Fraktionschef. "Was wir heute versäumen, das lässt sich nicht mehr nachholen." Dies sei auch die beste Vorkehrung gegen islamische Extremisten. "Gut integrierte Flüchtlinge sind am besten immunisiert gegen Salafisten und Hassprediger", sagte er.

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