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Angela Merkel und andere Staats- und Regierungschefs zeigen sich nach den Anschlägen von Paris solidarisch mit dem Satiremagazin "Charlie Hebdo".
© dpa

Böhmermann und Erdogan: Angela Merkel muss zur Konfrontation bereit sein

Das türkische Verlangen nach Strafe muss im Satirestreit abgelehnt werden. Alles andere wäre eine Verheerung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Was bisher nur ein Fall war, der zur Affäre wurde, darf auf keinen Fall eine Staatsaffäre werden: die Satire von Jan Böhmermann. Dass die Bundesregierung, genauer das Kanzleramt, das Auswärtige Amt und das Justizministerium das türkische Verlangen nach Strafverfolgung des ZDF-Moderators, vulgo Komikers, „sorgfältig prüfen“ – das ist auch eine Umschreibung. Und zwar für: Wir brauchen Zeit. Warum? Um sich über alle Folgen klar zu werden. Dafür spricht auch der Zusatz, dass so zügig wie möglich entschieden werde. Eben wie möglich.

Denn natürlich hat die Bundeskanzlerin ein gesteigertes Interesse daran, wohl vorbereitet eine Entscheidung übers weitere Verfahren zu treffen, so verfahren, wie die Situation schon ist. Weil die Regierung nicht von vornherein klar und strikt signalisiert hat, dass hier in Deutschland Böhmermann nicht belangt werden wird. Stattdessen hat die Kanzlerin höchstselbst – ja, qua Amt, nicht Angela Merkel als interessierter Mensch aus Berlin-Mitte – der Türkei die Vorlage gegeben. Das war, als sie gemeinsam mit Premier Ahmet Davutoglu festhielt, Böhmermanns Text sei „bewusst verletzend“.

Was bestimmt gut gemeint war, als Versuch, schnell die Glut eines Themas auszutreten, bevor es zu brennen beginnt, hatte aber nicht die Wut des Recep Tayyip Erdogan im Blick. Mit dieser ersten Folge: Das Feuer wurde angefacht, Erdogan sah sich vermutlich durch Merkel bestätigt. Zweite Folge ist die Verbalnote. Ein wunderbares Wort in diesem Zusammenhang, geht es doch um die Macht der Worte. Die Türkei hat ihre Macht deutlich machen wollen.

Der türkische Präsident führt seine Gespräche eher konfrontativ

Hier nun greift etwas, das zwischen Verhandlungspartnern – und das ist Erdogan unglückseligerweise in mehrfacher Hinsicht – gilt: Es gibt zwei Möglichkeiten, solche Art Gespräche zu führen, konsensual oder kompetitiv-konfrontativ. Der türkische Präsident führt bekanntermaßen seine Gespräche oder Verhandlungen eher kompetitiv, ja konfrontativ, will sagen: verbunden mit klaren Ansagen bis hin zu Drohungen. Manchmal sind sie besser versteckt als diesmal. Merkel dagegen ist der konsensual geprägte Typ, was übrigens auch eher der geübten deutschen Polit-Mentalität entspricht. Bloß ist es zuweilen so, dass der Konsensuale klarmachen muss: Ich bin notfalls auch zur Konfrontation bereit.

Ärgere mich nicht zu sehr, ich will eine Lösung, aber nicht einfach deine, heißt das übersetzt. Auf die aktuelle Lage übertragen: Die Kanzlerin kann darauf hinweisen, dass die Türkei für ihren Anteil an der Lösung der Flüchtlingsfrage schon einmal drei Milliarden Euro will; und dass sie doch vermutlich noch mehr wollen wird. Von wem könnte dieses Geld kommen? Genau. Das ist auch eine Form von Konfrontation. Dazu wird sich Merkel wappnen mit Fallbeispielen, mit Paragrafen – um damit umso besser das türkische Begehren ablehnen zu können.

Alles andere wäre nicht nur eine Überraschung; es wäre nach allem, was war, eine Verheerung. Hier steht die Reputation der Regierung zur Disposition. Was in keinem Fall sein darf, ist die Preisgabe der Meinungsfreiheit. Aber das ist inzwischen wohl hinreichend klar.

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