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Afrikanische Migrantin mit Sohn
© Nir Elias/rtr

Bundesamt für Migration und Flüchltinge: Amtschef hält Asylbegriff für nicht mehr passend zur Lage

Das Bundesamts für Migration und Flüchtlinge entscheidet, ob Flüchtlinge in Deutschland Asyl bekommen oder nicht. Sein Chef meint: Staatliche Verfolgung, vor der das Grundgesetz schützen wollte, ist inzwischen der seltenste Fluchtgrund verzweifelter Menschen.

Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, hält den hergebrachten deutschen Asylbegriff für kaum mehr realitätstauglich. „Viele der Menschen, die aus den Ländern des Westbalkans zu uns kommen, leben in wirtschaftlich sehr prekären Situationen. Keiner von uns würde mit ihnen tauschen wollen. Aber dieser Grund, nach Deutschland zu kommen, passt nicht ins deutsche Asylsystem“, sagte Schmidt dem Tagesspiegel (Mittwoch-Ausgabe). „Eine prekäre wirtschaftliche Situation ist kein Grund für die Anerkennung.“ Der klassische Asylbegriff, der staatliche Verfolgung voraussetze, treffe „nur noch auf einen sehr geringen Teil der Antragsteller zu“, sagte Schmidt, Im Jahre 2012 seien dies 1,2 Prozent der Fälle gewesen.  Und das gelte nicht nur für massive wirtschaftlicher Not: „Auch die Verfolgung von Homosexuellen zum Beispiel in einigen westafrikanischen Staaten ist sehr oft nicht staatlich, sondern gesellschaftlich, das fällt nicht mehr unter den klassischen Grundgesetzartikel 16a.“

Schmidt hatte zu Wochenbeginn massiven Widerspruch ausgelöst, weil er eine Eingangsprüfung vor dem Asylverfahren anregte. So könnten Fachkräfte erkannt werden, die womöglich dringend gebraucht würden und gute Chancen auf Arbeit in Deutschland hätten. Sie könnten sich so ein wahrscheinlich erfolgloses Asylverfahren ersparen - das Schmidt als Falle bezeichnete. Während die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), sich für den Vorschlag offen zeigte und auch SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann und Sachsens christdemokratischer Innenminister Markus Ulbig ihn begrüßten, widersprach der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach: Für Angehörige von Drittstaaten gebe es schon jetzt eine Fülle von Möglichkeiten, in Deutschland zu arbeiten. Auch ein Sprecher von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verwies auf bestehende Möglichkeiten.. Die Vorschläge des Bundesamts werde man prüfen. Man sei jedoch skeptisch. “Man sollte nicht denken, dass ein humanitäres Problem mit den Mitteln der Arbeitsmigration gelöst werden kann“, sagte er.

BAMF-Chef Schmidt präzisierte im Tagesspiegel seinen Vorschlag und sagte, er wünsche sich, dass auch der Paragraph 18c des Aufenthaltsgesetzes stärker genutzt und in den Herkunftsländern von Flüchtlingen bekannter gemacht würde. Dieser Teil des Gesetzes erlaubt Menschen aus Nicht-EU-Ländern  einen Aufenthalt von sechs Monaten, um sich in Deutschland einen Arbeitsplatz zu suchen – wenn sie denn in dieser Zeit ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können Schmidt: „Vereinfacht gesagt: Die 50 000 Dollar für den Schlepper könnten sie besser darein investieren, einen Arbeitsplatz in Deutschland zu finden.“

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