Kurswechsel des US-Präsidenten: Amerikas Rechte erkennt ihren Donald nicht mehr wieder
Trump stößt seine eigenen Leute vor den Kopf. Der Opportunist holt sich seine Erfolge, wo er sie kriegen kann.
Eine Woche ist eine lange Zeit in der Politik, besonders wenn der US-Präsident Donald Trump heißt. Innerhalb weniger Tage hat sich der 71-jährige Populist mehrmals über seine eigenen Wahlkampfversprechen und über die Grundsätze seiner republikanischen Partei hinweggesetzt.
Konservative Trump-Anhänger erkennen ihren Donald nicht mehr wieder. Am Ende dieser erstaunlichen Woche fordern bisher eisenharte Trump-Anhänger wie die prominente Kommentatorin Ann Coulter die Amtsenthebung des Präsidenten und werfen ihm vor, ein Wendehals zu sein. Doch die Frage lautet: Hat Trump vor dem traditionellen Politbetrieb in Washington kapituliert, wie Kritiker sagen – oder demonstrieren die raschen Positionswechsel die wahre Natur des Opportunisten im Weißen Haus?
Reiche sollen eventuell nicht weniger, sondern mehr Steuern zahlen
Bei gleich drei Gelegenheiten hat Trump die eigenen Leute vor den Kopf gestoßen. Zuerst einigte er sich mit den oppositionellen Demokraten auf Milliardenhilfen für die Opfer der jüngsten Wirbelstürme und auf eine kurzfristige Anhebung der Schuldenobergrenze. Er ignorierte die Republikaner, die von dem Abkommen abrieten. Wenig später traf er sich erneut mit den Demokraten und versprach ihnen, bei der angestrebten großen Steuerreform werde es keine Entlastungen für die Reichen geben – bis zu diesem Zeitpunkt deutete alles darauf hin, dass Trump genau das wollte. Jetzt erklärte er, das die Superreichen künftig nicht weniger, sondern möglicherweise mehr zahlen müssen als bisher.
Die dritte Einigung mit den Demokraten ist die bisher spektakulärste: Nach Trump noch vergangene Woche den Abschiebeschutz für 800.000 Kinder illegaler Einwanderer aufhob, erzielte er mit der Opposition jetzt einen Grundsatzbeschluss über die weitere Duldung der so genannten Dreamer.
Plötzlich soll die Mauer zu Mexiko später gebaut werden
Dieser Einigung opfert Trump sogar sein Lieblingsprojekt, das von den Demokraten strikt abgelehnt wird: Die Mauer an der Grenze zu Mexiko soll erst später gebaut werden. Im Wahlkampf hatte Trump seine rechten Anhänger mit dem Versprechen eines rigorosen Vorgehens gegen die Dreamers und einem raschen Bau der Mauer begeistert.
Viel schlimmer als die jetzige Verständigung des Präsidenten mit den Demokraten kann es für eingefleischte Trump-Fans also kaum kommen. Unter dem Eindruck der Kritik aus der rechten Ecke betonte Trump zwar, ohne Mauer werde es keine Zustimmung zu irgendwelchen Absprachen geben. Der Bau der Mauer werde sich nur etwas verzögern, unterstrich der Präsident.
Anhänger sagen sich öffentlich von ihrem Idol los
Doch es war zu spät, um seine Anhänger zu beruhigen. Auf Twitter sagten sich Trump-Wähler öffentlich von ihrem Idol los und veröffentlichten Fotos, auf denen zu sehen war, wie sie ihre Trump-Jacken in den Müll werfen. Andere riefen dazu auf, die Baseballkappen mit Trumps Wahlkampfmotto „Make America Great Again“ zu verbrennen. Die rechtspopulistische Website Breitbart News berichtete, die Angehörigen von Menschen, die von illegalen Einwanderern ermordet wurden, seien entsetzt über Trump. Ein namentlich nicht genannter Breitbart-Mitarbeiter sagte der „Washington Post“, Trump habe einen „Verrat der höchsten Ordnung“ begangen. „Amnesty Don“, heißt Trump jetzt bei Breitbart.
Coulter und andere rechtskonservative Intellektuelle sind überzeugt, dass der „Sumpf“ des politischen Establishments in Washington ihren Donald Trump geschluckt und auf Linie gebracht hat. Doch möglicherweise hat sich die amerikanische Rechte das falsche Bild von Trump gemacht und in ihm einen Vorkämpfer ihrer Werte gesehen, der er nicht ist.
Der Immobilienunternehmer und Fernsehstar tut das, was ihm erfolgversprechend erscheint - das Ergebnis ist ein Zickzack-Kurs, wie ihn die USA noch nicht gesehen haben.
Die Mehrheit lehnt seine Einwanderungspolitik ab
Erneut hat Trump in den vergangenen Tagen rechtsradikale Gewalttäter und Gegendemonstranten auf eine Stufe gestellt. Am Freitag bekräftigte er angesichts des neuen Terroranschlags in London seinen Ruf nach großflächigen und scharfen Einreiseverboten, um seiner rechtsgerichteten Anhängerschaft zu gefallen. Fast gleichzeitig erklärt er sich aber bereit, die Dreamer zu schonen und den Bau der Mauer zu verschieben.
Von „Zynismus“ spricht der konservative Trump-Kritiker Bill Kristol, doch Trump würde es wohl eher Realismus nennen. Beim Thema Einwanderung dürfte er erkannt haben, dass die Rolle des Präsidenten Gnadenlos zwar bei einer rechtsgerichteten Minderheit gut ankommt – von den allermeisten Amerikanern aber abgelehnt wird. Umfragen zufolge sind drei von vier Wählern dafür, den Dreamers ein Bleiberecht zuzugestehen. Nur zwölf Prozent wollen die Abschiebung.
Einige Beobachter wollen bei Trump eine neue Strategie erkannt haben: Da der Präsident mit der republikanischen Kongress-Mehrheit in den vergangenen Monaten mehrmals Schiffbruch erlitten habe, wolle er nun mit überparteilichen Ansätzen möglichst viel von seinen Vorstellungen durchsetzen. Dazu gehört ein Geben und Nehmen - die traditionelle Art, in Washington Politik zu machen. Kein Wunder, dass Breitbart entsetzt ist.