Kooperation in der Energieversorgung: Altmaier will Russland als Wasserstoff-Partner
Deutschland sucht Lieferanten für Wasserstoff. Wirtschaftsminister Altmaier möchte nach der Bundestagswahl Verträge mit Russland unterzeichnen.
Marokko, Chile, Australien oder Saudi Arabien – die Bundesregierung sucht seit Monaten die Nähe potenzieller Wasserstoff-Lieferanten. Schließlich wird Deutschland seinen steigenden Bedarf wohl nicht selbst decken können. Rund zwei Milliarden Euro sind im Bundeshaushalt für erste Importprojekte eingeplant.
Von dem Geld könnte auch ein langjähriger Handelspartner etwas abbekommen: Russland soll der nächste Wasserstoff-Partner werden, zumindest wenn es nach dem CDU-Wirtschaftsminister geht. Das Gas könnte über die hochumstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 nach Deutschland strömen.
Die zwei Milliarden Euro für internationale Kooperationen „stehen auch für Projekte zwischen russischen und deutschen Unternehmen zur Verfügung“, kündigte Peter Altmaier am Donnerstag auf dem mittlerweile 13. Deutsch-Russischen Rohstoff-Forum an, das sich erst seit Ende vergangenen Jahres mit dem neuen Hype-Thema Wasserstoff befasst.
„All dies können wir auch gemeinsam mit Russland machen“, sagte er mit Blick auf die geplanten Pilotprojekte. Er freue sich darauf, hoffentlich nach der Bundestagswahl bald nach Moskau zu reisen und dort konkrete Vereinbarungen abzuschließen. Die Zeit dulde keinen Aufschub, mahnt der Minister.
Absichtserklärung unterzeichnet
Um dem Anliegen Nachdruck zu verleihen, unterzeichneten die Energieministerien beider Länder am 20. April eine Memorandum of Understanding über die „Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nachhaltigen Energie“. Das Dokument liegt Tagesspiegel Background vor. Demnach ist unter anderem geplant, die Nutzung neuer Energiequellen zu fördern, die Gründung von Joint Ventures zu prüfen und die technische Zusammenarbeit von Organisationen beider Staaten zur Umsetzung gemeinsamer Projekte zu erleichtern.
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Dabei geht es vor allem auch um Wasserstoff und Methan-Wasserstoff-Gemische, etwa für den Einsatz in Verkehr und industriellen Prozessen. Um die Umsetzung der Absichtserklärung zu koordinieren, wird eine bilaterale hochrangige Arbeitsgruppe (EAG) eingerichtet. Eine Unterarbeitsgruppe werde sich ausschließlich mit der Zusammenarbeit beim Wasserstoff befassen. Die Vorarbeit hierfür leistet seit Mitte 2020 die „AG Wasserstoff und neue Gase“ des Rohstoff-Forums, der hochrangige Vertreter beider Energieministerien angehören.
Anfang Dezember fand die erste Deutsch-Russische Wasserstofftagung statt. Einer dieser hochrangigen Vertreter ist Thorsten Herdan aus dem BMWi. „Wir haben einen klaren Fahrplan, wie wir hier nach vorne kommen können und all die Dinge umsetzen“, erklärter er und brach eine Lanze für die Energiepartnerschaft mit Russland: „Wir haben in den Beziehungen mit vielen Problemen zu kämpfen und müssen aufpassen, dass dies Probleme die Energiebeziehungen nicht derart überschatten, dass sie sie zerstören.“ Das wäre seiner Ansicht nach ein „Riesenfehler“, „töricht“ und „hochgefährlich“. Die Wasserstoff-Brücke nach Russland müsse gebaut werden.
Außenpolitik mit Wasserstoff
Unterstützung erhielt er dabei aus dem Außenministerium. Dort habe man ein klares Interesse, Deutschlands enge energiepolitischen Partner wie Russland langfristig einzubeziehen, sagte der zuständige Abteilungsleiter Michael Klor-Berchtold. „Wir haben von Anfang an bei dem Thema Wasserstoff mitgewirkt und sind entschlossen, eine proaktive Wasserstoff-Außenpolitik zu betreiben.“ Mit dem Ziel, Exportländer zu stabilisieren und den globalen Wettbewerb um die Energieressourcen zu entschärfen, aber natürlich auch, um die eigene deutsche Versorgung zu sichern.
Das Auswärtige Amt hat laut Klor-Berchtold einen neuen Politikansatz entwickelt, die „H2 Diplomacy – Geopolitik der globalen Wasserstoffwirtschaft“. Die solle in Kürze in die Umsetzung gehen und für das Auswärtige Amt und die deutschen Botschaften die Grundlage sein für den Dialog mit Exporteuren fossiler Brennstoffe über CO2-neutralen Wasserstoff. Die deutsch-russischen Wasserstoffgespräche dürften aber schwierig werden.
Das liegt zum einen daran, dass Russland in Zukunft weit mehr sein will als bloßer Rohstofflieferant. Das Land will ein führender Exporteur von Technologien werden, statt diese wie bisher aus dem Westen zu importieren. Vor allem aber setzt Russland, anders als die EU, vorrangig auf Wasserstoff aus Erdgas mit CCS und aus Kernenergie anstelle erneuerbarer Energien. Beides verträgt sich aber womöglich nicht mit der geplanten EU-Taxonomie, dem Klassifizierungssystem für nachhaltige Geldanlagen. Altmaier appellierte an die russische Seite, das enorme Potenzial der Erneuerbaren nicht zu „vergessen“.
Steven Hanke