Bundesminister verzichten auf Bundestagsmandat: Altmaier und „AKK“ erhöhen den Druck für einen echten CDU-Neuanfang
Zwei prägende Köpfe der CDU machen den Weg frei für Jüngere. Der Schritt ist ein starkes Signal in die Partei hinein, auch Richtung Armin Laschet und andere.
Annegret Kramp-Karrenbauer galt vor gut zwei Jahren noch als aussichtsreichste Nachfolgerin von Angela Merkel im Kanzleramt. Jetzt gibt die 59-Jährige ihr gerade erst errungenes Bundestagsmandat auf, das Amt der Verteidigungsministerin will sie bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung fortführen.
Kramp-Karrenbauer sagte in Saarbrücken, es reiche nicht, nur zu sagen, das Land und die Partei seien wichtiger als die eigene politische Karriere. Jetzt sei eine Situation „wo man es dann auch tun muss“.
Das lässt sich als dezenter Wink an Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet verstehen, der einen personellen Neuanfang will, aber die Suche nach einem Nachfolger selbst steuern will. Ein Rücktrittsdatum hat er bisher nicht verkündet.
Er bleibt auch als möglicher Kanzler einer Jamaika-Koalition ins Spiel, sollten die Ampel-Sondierungen von SPD, Grünen und FDP scheitern – Laschet betont aber, dass er auch für eine andere Person zurückziehen werde, sollte er das Hindernis sein. „Es geht nicht um die Person Armin Laschet. Es geht um das Projekt für dieses Land“, hatte Laschet gesagt. Im CDU-Vorstand gibt es wachsenden Unmut über den unentschlossenen Schritt und die unklare Lage.
[Wenn Sie die wichtigsten News aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräteherunterladen können.]
Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (63), der auf Platz zwei der Saar-Landesliste stand, kündigte an, auf sein Bundestagsmandat zu verzichten. Damit werden zwei prägende Figuren der letzten Jahre in der Union nicht mehr dem Parlament angehören. Sie machen den Weg frei für zwei jüngere Parteifreunde, Nadine Schön (38) und Markus Uhl (41), die dann als Nachrücker von der CDU-Landesliste in den neuen Bundestag kommen.
Die beiden zeigten sich dankbar und gleichzeitig überrascht. Er habe seine Wohnung in Berlin schon gekündigt und erst vor wenigen Stunden erfahren, dass er nun doch Abgeordneter bleiben werde, sagte Uhl. Er hatte sein Direktmandat verloren, so wie auch Kramp-Karrenbauer gegen die SPD-Politikerin Josephine Ortleb und Altmaier gegen Außenminister Heiko Maas (SPD), bei ihnen kam aber die Landesliste zum Zuge.
Altmaier: "Mir blutet das Herz"
Es sei wichtig, jetzt einen Generationswechsel herbeizuführen, betonte Altmaier. „Erneuerung ist möglich, man muss sie nur wollen“, fügte er hinzu. „Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie wenig jüngere Abgeordnete dieses Mal für CDU/CSU in den Bundestag eingezogen sind.“ Auch er behält seinen Ministerposten bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung.
[Lesen Sie auch: Das sind die Schlüsselfiguren für die Ampel-Verhandlungen (T+)]
Der Schritt ist ein starkes Signal in die Partei hinein. Während gerade Grüne und SPD mit deutlich verjüngten Fraktionen im nächsten Bundestag vertreten sein, ist das bei der Union bisher nicht der Fall. Die konstituierende Sitzung des nächsten Bundestags ist am 26. Oktober. Altmaier gehört dem Bundestag seit 1994 an, der leutselige Saarländer wurde 2012 Bundesumweltminister, 2013 dann Merkels Kanzleramtschef und musste die Flüchtlingskrise managen.
2018 wurde er schließlich Bundeswirtschaftsminister - immer wieder versuchte Friedrich Merz nach seinem Amt zu greifen, was Merkel aber ablehnte.
Kramp-Karrenbauer galt als Merkels Nachfolgerin
Kramp-Karrenbauer war bis zu ihrem Wechsel 2018 nach Berlin als CDU-Generalsekretärin Ministerpräsidentin des Saarlandes. Im Dezember 2018 wurde sie in einer Kampfabstimmung gegen Friedrich Merz zur CDU-Vorsitzenden und Nachfolgerin Merkels gewählt.
Merz war es später, der Druck auf sie machte, dass sie Merkel im Amt der Bundeskanzlerin vorzeitig ablösen müsse, um mit einer besseren Siegchance, einem Amtsbonus, in die Bundestagswahl zu gehen. Aber Merkel blieb. Zunehmend kühlte in der Folge das Verhältnis zwischen Merkel und „AKK“ ab, sie trat dann zumindest als Verteidigungsministerin in das Kabinett ein, nachdem Ursula von der Leyen EU-Kommissionspräsidentin wurde.
Auch Laschet machte ihr das Leben schwer
Durch die Ämtertrennung von Kanzleramt und Parteivorsitz hatte sie nicht den ausreichenden Rückhalt in der Partei, nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum kurzzeitigen Ministerpräsidenten Thüringens mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP und fehlgeschlagenen Vermittlungsversuchen kündigte sie ihren Rücktritt vom Parteivorsitz an.
Wie nun auch Laschet wollte sie einen Konsenskandidaten finden, was nicht gelang und in den Kandidaturen von Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen endete. Wegen Corona musste ein Parteitag mehrfach verschoben werden. Obwohl auch Laschet ihr immer wieder als CDU-Vorsitzende das Leben schwer gemacht hatte, unterstützte sie ihn als Kanzlerkandidaten bedingungslos.
[Jeden Morgen informieren wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserer Morgenlage über die politischen Entscheidungen, Nachrichten und Hintergründe. Zur kostenlosen Anmeldung geht es hier.]
Die letzte Mission war auch die schwierigste
Zwei Wochen vor der Wahl zeigte sie bei einer Wahlkampfveranstaltung im Konrad-Adenauer-Haus, wie SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zu packen wäre. Kramp-Karrenbauer sagte in Anspielung auf einen Wahlwerbespot, in dem sich Scholz in die Tradition von Ex-Kanzler Helmut Schmidt stellte, manch einer vergleiche sich in diesen Tagen ja mit Helmut Schmidt.
Sie stelle sich aber die Frage, ob sich der frühere Kanzler in der Frage der Bewaffnung von Drohnen zum Schutz der eigenen Soldaten wohl mit seiner eigenen Partei angelegt hätte, oder nicht. „Schmidt hätte sich für die Bundeswehr entschieden“, sagte die Ministerin – während Scholz die Blockade seiner Fraktion in dieser Frage akzeptiert hat.
Bei aller Kritik an der Bundesregierung steuerte sie gut die hochgefährliche Evakuierungsaktion aus Kabul mit tausenden Herausgeflogenen. Nach der Rückkehr der Soldatinnen und Soldaten umarmte sie den für die Operation zuständigen Brigadegeneral Jens Arlt, der hatte noch sein Sturmgewehr umhängen. Es war ein Bild, das haften bleibt und ihre ganze Dankbarkeit zeigte.
Bisher gelten nur Männer aus NRW als Aspiranten für den CDU-Vorsitz
Die großen Respektbekundungen, auch vom politischen Gegner an beide zurücksteckenden Politiker, könnten auch eine neue Dynamik in die weitere personelle Neuaufstellung der CDU bringen. Vor den CDU-Gremiensitzungen an diesem Montag wächst der Druck auf Laschet, rasch den Weg für die personelle Neuaufstellung freizumachen. Im Vorstand mehren sich die Stimmen, die eine Entscheidung noch in diesem Jahr fordern, erfuhr der Tagesspiegel.
Als mögliche Bewerber gelten bisher Jens Spahn, Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Fraktionschef Ralph Brinkhaus und der Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann – das sind allerdings fünf Männer, alles aus NRW.
Merz hatte zuletzt betont: „Ich hätte gerne, dass wir die drei Buchstaben CDU größer schreiben als die Buchstaben ICH, das gilt für alle.“ Nicht wenige in der Union halten so manchen „Ego-Trip“ für einen Kern des Problems, angefangen bei CSU-Chef Markus Söder, aber auch bei Merz. Altmaier und Kramp-Karrenbauer haben ohne sich nun ganz in den Dienst der Partei gestellt.
Der Druck für rasche Entscheidung wächst - und für ein Basisvotum
Während Spahn und Laschet bisher auf einen Parteitag setzen, werden Merz oder Röttgen die größten Chancen zugerechnet, sollten die rund 400 000 Mitglieder entscheiden. Spahn hingegen ist zwar auf der Funktionärsebene gut vernetzt, gilt aber, auch wegen seiner Corona-Politik, nicht als Mann der Basis.
Der Vorstand könnte erstmals eine Mitgliederbefragung bei mehreren Kandidaturen für den Vorsitz beschließen, deren Ergebnis dann durch einen Parteitag bestätigt werden müsste. Auch diese Frage, ebenso die Einbindung der rund 330 Kreisvorsitzenden wird am Montag eine Rolle spielen. Vor allem Merz, Röttgen und Linnemann pochen auf eine Basisvotum – die Mitglieder fühlten sich zuletzt übergangenen, bei der Frage eines Kanzlerkandidaten Laschet oder Markus Söder.
Bisher ist unklar, wann die möglichen Kandidaten sich erklären sollen, letztlich sind mehrere Kandidaturen auch ein Zeichen gelebter innerparteilicher Demokratie; allerdings zeichnet sich bisher keine weibliche Kandidatin ab.
Einer, der ein frisches Gesicht wäre, ist der saarländische Ministerpräsident und Landeschef Tobias Hans, der auch den Verzichtsprozess von Kramp-Karrenbauer und Altmaier nach außen geräuschlos moderiert hat. Aber er hat Ende März 2022 eine Landtagswahl zu bestehen, das würde sich schlecht mit einem CDU-internen Wahlkampf vertragen, auch in NRW und Schleswig-Holstein wird 2022 gewählt, allein schon deshalb braucht die CDU rasch Klarheit an der Spitze.
[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen rund um das Coronavirus. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]
Debatte um einen "Treuhänder" für den Übergang
Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, sie wünsche sich an der CDU-Spitze für den Übergang einen "Treuhänder" ohne eigene Ambitionen auf das Kanzleramt, der die Partei wieder "fit" mache.
Sie ist eine Laschet-Unterstützerin und scheint diese Aufgabe bei ihm nach seiner Rückzugsankündigung gut aufgehoben zu sehen. Aber längst nicht alle trauen Laschet nach dem historisch schlechten Bundestagswahlergebnis von 24,1 Prozent noch zu, den Prozess zu steuern, daher wird auch über andere Übergangslösungen diskutiert. So wird auch Fraktionschef Brinkhaus oder Wolfgang Schäuble als „Treuhänder“ gehandelt, es gab aber auch Stimmen im Vorstand, die von unausgegorenen Ideen sprachen.
Söder sagt: "Wir wollen keinen Rosenkrieg"
Söder führte bei einem Treffen der Jungen Union Bayern das schlechte Ergebnis der Union eindeutig auf den unpopulären Kanzlerkandidaten Laschet und eine schwache Wahlkampfstrategie zurück. „Es ist einfach so: Am Ende wollten die Deutschen einen anderen Kanzlerkandidaten als den, den CDU und CSU aufgestellt haben“, sagte Söder.
Und er warnte CDU und FDP nach den Attacken der vergangenen Tage vor einer Spaltung des bürgerlichen Lagers. Es habe wegen seiner klaren Aussagen in der vergangenen Woche geradezu ein „CSU Bashing“ gegeben, sagte Söder bei der Landesversammlung der Jungen Union Bayern in Deggendorf. Söder hatte Olaf Scholz zum SPD-Wahlsieg gratuliert und sah bei ihm einen klaren Regierungsauftrag, eine Ampel-Koalition sei sehr wahrscheinlich. Auch Sicht von Laschet aber auch der FDP hatte Söder damit unnötig früh die Tür für ein Jamaika-Bündnis erstmal zugeschlagen. „Wir brauchen keinen bürgerlichen Rosenkrieg“, sagt Söder.