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Letzter Ausweg. Immer öfter sieht man in Berlin Menschen, die in Mülleimern nach Verwertbarem suchen. Dies droht auch immer mehr Alten, die in der Stadt zu Niedriglöhnen gearbeitet haben und mehrfach arbeitslos waren. Ihre Rente reicht nicht.
© dapd

Rentendiskussion: Altersarmut: Berlin ist Brennpunkt

In Berlin weisen besonders viele Erwerbsbiographien größere Lücken auf, schon jetzt brauchen in der Hauptstadt doppelt so viele Rentner wie anderswo zusätzliche Unterstützung. Was aber hilft gegen Altersarmut?

Die Diskussion um Altersarmut dürfte in Berlin demnächst besonders intensiv geführt werden. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte kürzlich erklärt, dass Millionen Beschäftigten im Rentenalter Armut drohe – ihr Anteil wird in Berlin besonders hoch sein. Ein Arbeitnehmer mit 2500 Euro Bruttolohn bekäme nach Berechnungen der Ministerin nach 35 Erwerbsjahren, in denen er in die Rentenkasse zahlt, nur eine Monatsrente in Höhe der Grundsicherung von 688 Euro. In Berlin ist der Anteil der Arbeitnehmer mit einem solch geringen Einkommen noch höher als im Bundesdurchschnitt. Während 36 Prozent der deutschen Vollzeitbeschäftigten weniger als 2500 Euro monatlich bekommen, sind es in Berlin fast 40 Prozent.

Derzeit bekommen mehr als 34 000 Berliner Rentner Grundsicherung, weil ihre Rente zum Leben als nicht ausreichend gilt. Das sind 5,2 Prozent der Einwohner über 65 Jahre und damit mehr als doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt. In der Sozialverwaltung von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) kennt man das Problem. Es sei an der Zeit, „dass ein nachhaltiges Rentenversicherungssystem erarbeitet“ werde, sagte er dem Tagesspiegel. „Die Rentenvorschläge der Bundesarbeitsministerin sind eine gute Idee, müssen aber deutlich verbessert werden.“ Bliebe es bei den vorgestellten Richtlinien der Ministerin, bekämen nicht mal 900 Berliner Rentner eine Zuschussrente. Kriterien waren etwa private Vorsorge und Einzahlungsdauer in die gesetzliche Rentenkasse.

In Berlin weisen besonders viele Erwerbsbiografien große Lücken auf. Mit einer Arbeitslosenquote von rund zwölf Prozent führt die Hauptstadt die Tabelle der Bundesländer an. In Berlin ist auch der Anteil derjenigen, die für Löhne unter zehn Euro brutto die Stunde arbeiten, besonders hoch: Jeder vierte Arbeitnehmer bezieht einen Niedriglohn. Dadurch werden geringere Beiträge gezahlt und weniger Rentenansprüche gesammelt. Während Senator Czaja eine modifizierte Zuschussrente unterstützt, hatte er die Pläne der Arbeitsministerin, die allgemeinen Beiträge für die Rentenkasse zu senken, abgelehnt. Die Bundesregierung hatte beschlossen, dass ab 2013 der Beitragssatz von derzeit 19,6 auf voraussichtlich 19,0 Prozent reduziert wird. Durch diese Senkung entlaste man Arbeitnehmer und Arbeitgeber um 5,4 Milliarden Euro, hieß es. Czaja sagte, bei vollen Rentenkassen solle lieber dafür gesorgt werden, die sich „gebildete Nachhaltigkeitsreserve“ zu füllen. Die geplante Senkung des Beitrags mache bei den Versicherten ohnehin nur 7,50 Euro im Monat aus.

Was hilft gegen Altersarmut?

Was aber hilft gegen Altersarmut? Laut einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung lässt sich Altersarmut nur durch höhere Renten und – wenn nötig – steuerfinanzierte Aufstockung niedriger Renten bekämpfen. Eine kapitalgedeckte Rente sei „keinesfalls geeignet, den Menschen ein sicheres Auskommen im Alter in Ergänzung zur gesetzlichen Rente zu garantieren“, sagte IMK-Direktor Gustav Horn.

Das niedrige Rentenniveau stellt laut Studie ein besonders großes Problem dar: Etwa jeder zweite ostdeutsche Mann der Geburtsjahrgänge 1956 bis 1965 werde am Ende seines Erwerbslebens nur Rentenansprüche haben, die unterhalb der Bedarfsgrenzen für die Grundsicherung liegen. Dieses Armutsrisiko lasse sich auch schon bei westdeutschen Männern beobachten. Laut Studie hat ein Mann, der 2010 in Rente ging, im Durchschnitt 130 Euro weniger als ein Senior, der schon länger seine Rente bezieht.

Um im Alter eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung zu erhalten, musste ein Durchschnittsverdiener, der 2009 in Rente ging, 27 Beitragsjahre vorweisen. Im Jahr 2030 würden es schon 32,6 Beitragsjahre sein. Verdient jemand lediglich 75 Prozent des Durchschnittseinkommens, dann muss er laut Studie im Jahr 2030 sogar 43,5 Beitragsjahre vorweisen, um eine Rente auf Grundsicherungsniveau zu erhalten. Eine Zuschussrente löse das Problem nicht.

Die Forscher schlagen vor, die Riester-Förderung auslaufen zu lassen. Zwar erhielten Riester-Sparer einen staatlichen Zuschuss, doch anders als im gesetzlichen Sicherungssystem würden Arbeitgeber keinen Beitrag leisten. Außerdem ist jeder zweite Geringverdiener nicht imstande oder willens, sich zusätzlich abzusichern. Stattdessen sollten gezielt die Renten von Geringverdienern und Personen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien steuerfinanziert aufgestockt werden, schlagen die Experten vor.

Sabine Beikler, Hannes Heine

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