Maastricht-Vertrag: Als das Ende der D-Mark kam
Vor 20 Jahren wurde der Maastricht-Vertrag besiegelt. Eine „Politische Union“ war damals in Europa nicht durchsetzbar. Nun ist die Diskussion neu entbrannt.
Berlin - Der Saal im „Gouvernement“ war mit Blumen geschmückt. An den Tischen im Sitz der limburgischen Provinzverwaltung am Ufer der Maas hatten die Außen- und Finanzminister der zwölf Staaten Platz genommen, aus denen damals die Europäische Gemeinschaft bestand. Es war, am 7. Februar 1992 im niederländischen Maastricht, die Geburtsstunde des Euro. Das Datum bekommt gerade wieder Aktualität: Denn Hans-Dietrich Genscher und Theo Waigel, die damals für Deutschland die Unterschrift unter den Maastricht-Vertrag setzten, konnten damals nicht ahnen, dass die Gemeinschaftswährung 20 Jahre später einer Zerreißprobe ausgesetzt sein würde. Aber ausgerechnet der Euro-Stresstest könnte jene „Politische Union“ beflügeln, die sich seinerzeit nicht durchsetzen ließ.
Mit der Vertragsunterzeichnung wurde der Start der Europäischen Währungsunion besiegelt – sie wurde 1999 als Euro-Buchgeld und drei Jahre später dann mit dem endgültigen Abschied von D-Mark, Franc und Lira verwirklicht. Zwar rückten die EU-Staaten durch den Maastricht-Vertrag auch in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Innen- und Rechtspolitik enger zusammen. Das Kernstück des Vertrages bestand aber in der Vereinbarung, wonach jene Länder den Euro einzuführen hatten, die die seither immer wieder zitierten Maastricht- Kriterien erfüllen. Danach soll die Gesamtverschuldung nicht höher als 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sein und die Neuverschuldung drei Prozent des BIP nicht überschreiten – zwei Forderungen, die oft nur auf dem Papier Bestand hatten. Von Anfang an bot der Vertrag ohnehin Schlupflöcher. Bei den Verhandlungen bestand der damalige britische Premierminister John Major im Dezember 1991 darauf, dass sein Land bei der Währungsunion außen vor bleiben kann. „Spiel, Satz und Sieg“ für London – so jubelte Major damals. Auch Dänemark erhielt eine Opt-out-Klausel, wonach das Königreich die Krone als Währung behalten darf.
Das größte Manko des Maastricht-Vertrages besteht darin, dass sich die Europäer damals nicht zu einer engeren wirtschaftspolitischen Verzahnung durchringen konnten, die spätestens seit Beginn der Schuldenkrise in der Euro-Zone vermisst wird: Damit eine gemeinsame europäische Haushalts- und Wirtschaftspolitik funktionieren kann, müsste es eigentlich echte Durchgriffsrechte in die nationale Budgethoheit geben.
Die Fliehkräfte, denen eine gemeinsame Währung durch die unterschiedlichen Haushaltspolitiken der beteiligten Länder ausgesetzt ist, muss vor 20 Jahren auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl geahnt haben. Er forderte bei den Maastrichter Verhandlungen, dass die Europäer mit der Währungsunion auch den Einstieg in eine „Politische Union“ wagen müssten. Kohl konnte sich nicht durchsetzen – der Souveränitätsverzicht war den europäischen Partnern nicht zu vermitteln. Dass sich Kohl trotzdem zu einer Aufgabe der D-Mark bereit erklärte, hing auch mit der politischen Großwetterlage zusammen. Nach der Wiedervereinigung galt Kohls Zustimmung zur Währungsunion in den Augen der europäischen Partner als Beleg, dass Deutschland auf Europa-Kurs blieb. Die Zweifel an der künftigen Rolle Deutschlands verdeutlichte damals eine Karikatur auf der Titelseite des britischen „Economist“; sie zeigte einen gigantischen Kanzler Kohl, der sich den Rest Europas einverleibt hatte.
20 Jahre später ist die Diskussion neu entbrannt. So soll der Zwang zum Schuldenabbau, wie er im Maastricht-Vertrag und später im Euro-Stabilitätspakt vorgesehen war, künftig durch mögliche Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verstärkt werden – so sieht es der europäische Fiskalpakt vor. Von einer echten gemeinsamen Wirtschaftspolitik ist Europa aber noch weit entfernt. Wenn die EU-Kommission in diesem Monat erstmals eine Bewertung zum wirtschaftlichen Auseinanderdriften in der Euro-Zone vornimmt, dann werden voraussichtlich wieder nur die leistungsschwachen Staaten am Pranger stehen. Deutschland wird sich wegen seiner Exportüberschüsse, die in anderen Ländern zu Leistungsbilanzdefiziten führen, nicht rechtfertigen müssen. Der Zweck des neuen EU-Frühwarnsystems, so heißt es in Kommissionskreisen, „kann nicht darin bestehen, die Wettbewerbsfähigkeit einiger Länder einzuschränken“.