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Ernste Gesichter zu einem ernsten Thema: Die Parteichefs Horst Seehofer (CSU), Sigmar Gabriel (SPD) und Angela Merkel (CDU) geben im Mai 2015 nach einem Spitzentreffen von Bund und Ländern zum Umgang mit der wachsenden Zahl von Flüchtlingen eine Pressekonferenz.
© dpa

Streit um Transitzonen: Allein diese Bilder!

Die Union kann nicht von den Transitzonen abrücken, die SPD nicht zustimmen – wo soll das enden? Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Er ist zu schön, um wahr zu sein: der Gedanke, dass die Koalition der geneigten Öffentlichkeit vielleicht nur ein Schauspiel bietet. Eines, um die ganz Rechten außen vor zu halten, beispielsweise. Oder dass sie womöglich froh sind, gegeneinander sein zu können, also dass die Union bei ihrer Forderung nach Transitzonen endlich wieder gemeinsam gegen die SPD antreten kann, die ihrerseits an diesem Punkt endlich mal wieder der Union etwas verwehrt.
Das ist alles viel zu schwierig. Wer soll das erklären, und wer, vor allem, soll das verstehen? Nein, die Unionsparteien kommen nicht so einfach hinter das zurück, was sie zu Transitzonen sagen. Weder Angela Merkel, die sich unter dem Druck der CSU allmählich orbanisiert, noch Horst Seehofer.

Da geht es plötzlich ums Menschenbild, um humane Politik

In ihren jeweiligen Parteien haben die beiden Chefs Erwartungen geweckt, die sich nicht einfach übergehen lassen nach dem Motto: Die SPD sagt Nein, na dann eben nicht. So werden sich die Gemüter der Bürgermeister, Landräte und all der anderen, die mit dem Flüchtlingsthema lokal und direkt befasst sind, nicht besänftigen lassen. Das können Merkel und Seehofer doch nicht im Ernst glauben – das wäre ja naiv. Glaubten sie es, könnte es beide das Amt kosten.
Aber auch die SPD-Sitze soll nicht meinen, dass sie gegen die Transitzonen sein und dann in der Koalition immer so weitermachen kann. Sie weckt Widerspruchsgeist an einer großen Frage, einer, die sich in der Antwort wie von selbst auflädt. Da geht es plötzlich ums Menschenbild, um humane Politik, ja sogar um die Lehren aus der jüngeren deutschen Geschichte.
Die Vorstellung, in Deutschland würden Transitzonen eingerichtet, kann einen schaudern lassen. Wie sollen die aussehen? Man stelle sich vor: Lager, von Stacheldraht umzäunt, fernab von Städten mit Flughäfen, für 10 000 oder 20 000 Menschen? Allein diese Bilder! Da werden die einen von den anderen separiert, von denen, die aus sogenannten sicheren Herkunftsländern kommen, in die sie schnell wieder abgeschoben werden sollen? In sichere Herkunftsländer, die nicht alle so sicher sind, wie es die Bundesregierung gerne hätte?

Aber selbst das einmal außen vor gelassen: Die Menschen in diesen Lagern müssen jeder einen Rechtsanwalt sehen dürfen. Dann muss auch ein Richter, ein Verwaltungsrichter, am Ort sein, der über jeden Fall entscheidet. Und wenn einer als Asylbewerber abgelehnt worden ist, muss er mithilfe des Rechtsanwalts die nächste Instanz anrufen dürfen. Kurz: Hier geht es um praktiziertes Menschenrecht. Oder soll ihnen das alles verwehrt werden? Und glaubt jemand, dass das ohne Klagen dagegen ginge? Sage keiner, die Menschen in den Lagern kämen doch jederzeit raus – ja, wenn sie Asyl bekommen. Sonst werden sie in Wahrheit ihrer Freiheit beraubt. Sie kommen nämlich nur dann hinaus, wenn sie zur „Rückführung“ einen Bus besteigen; der noch dazu verschlossen sein muss, damit sie ihn nicht bei nächster Gelegenheit fluchtartig verlassen. Oder die Menschen kommen raus, um sofort in ein Flugzeug verbracht zu werden.

Nein, das ist nicht praktikabel, das ist nicht rechtmäßig, das ist politisch unmöglich, was die Union mit Merkel an der Spitze fordert. Und die SPD ablehnt. Einfach so, und das war es dann? Noch eine große Frage. Die Antwort kann kein Kompromiss sein.

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