Anschläge auf Politiker und Muslime erwogen: Alle zwölf Terrorverdächtigen in Untersuchungshaft
Nach den Razzien gegen eine mutmaßliche rechte Terrorzelle wurde gegen zwölf Männer Haftbefehle erlassen. Zu den Anschlagsplänen ist noch wenig bekannt.
Am Samstagabend war dann klar: Nachdem die Sicherheitsbehörden am Freitag mit Razzien gegen eine mutmaßlich rechtsterroristische Vereinigung vorgegangen waren, haben nun die Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe Haftbefehl gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppe und alle acht mutmaßlichen Helfer erlassen.
Die Anhörungen der vielen Verdächtigen hatten sich über den ganzen Samstag hingezogen. Dazu waren alle zwölf Männer an den BGH nach Karlsruhe gebracht worden. Ob jemand - wie von der Bundesanwaltschaft beantragt - in U-Haft kommt oder mangels belastbarer Erkenntnisse wieder freigelassen werden muss, entscheidet ein Ermittlungsrichter.
Wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtete, agierte die Gruppe unter dem Namen "Der harte Kern". Die Mitglieder der Gruppe sollen demnach Bezüge zur rechtsextremen Gruppierung "Soldiers of Odin" gehabt haben.
Bei den "Soldiers of Odin" handelt es sich demnach um Mitglieder einer 2015 in Finnland gegründeten rechtsextremistischen Bürgerwehr, die sich später auch in Deutschland bildete. Die Mitglieder treten meist einheitlich schwarz gekleidet und in Jacken mit Wikingerschädel auf.
Die Polizei, darunter Spezialeinsatzkommandos, hatte am Freitag an 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt die Wohnungen und weitere Räumlichkeiten von 13 Personen durchsucht.
Alle Festgenommenen sind Deutsche und Männer. Sie sind dem Vernehmen nach zwischen 31 und 60 Jahre alt. Vier von ihnen sollen sich zu der eigentlichen Terrorzelle zusammengeschlossen haben. Die acht Anderen halten die Ermittler für Unterstützer.
Waffen sollten offenbar in Osteuropa beschafft werden
Sie sollen sich bereiterklärt haben, Geld zu geben, Waffen zu beschaffen oder an künftigen Anschlägen mitzuwirken. Zum Kern der Gruppe rechnet die Bundesanwaltschaft noch einen fünften Mann. Er wurde aber als Einziger nicht festgenommen.
Es gebe den Anfangsverdacht, dass die Gruppe durch Anschläge auf Politiker, Flüchtlinge und Muslime „bürgerkriegsähnliche Zustände“ herbeiführen habe wollen, teilte die Behörde mit. Es sei das Ziel der Vereinigung gewesen, „die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden“.
Treffen in Minden – Waffen bei Razzien gefunden
Bei den Durchsuchungen wurden mutmaßlich selbstgebastelte Schusswaffen und Handgranaten entdeckt. Die Polizei werde prüfen, ob die Fundstücke funktionsfähig sind, hieß es in Sicherheitskreisen. Bei einer Waffe handelt es sich um eine „Slam Gun“, ein röhrenartiges Gewehr - ähnlich der selbstgebauten Waffe, mit der im Oktober 2019 der Judenhasser Stephan Balliet die Synagoge in Halle angriff.
Nach Informationen des Tagesspiegel hatten sich Mitglieder der Gruppierung am vergangenen Wochenende in Minden in Nordrhein-Westfalen getroffen und trotz ihres Arsenals die Beschaffung von Waffen in einem osteuropäischen Land vereinbart. Gesprochen wurde offenbar auch über die Herstellung eigener Waffen. Polizei und Verfassungsschutz hatten die Rechtsextremisten im Blick. Gemeinsam mit der Bundesanwaltschaft wurde dann beschlossen, jetzt zu einzugreifen.
Ein Verdächtiger ist Polizei-Mitarbeiter in Hamm
Die Gruppe ist womöglich größer als die von der Bundesanwaltschaft genannten 13 Beschuldigten. Es könnten insgesamt doppelt so viele Mitglieder sein, sagten Sicherheitskreise. Bestätigt wurde zudem, dass einer der festgenommenen acht Unterstützer in Hamm (NRW) als Verwaltungsmitarbeiter bei der örtlichen Polizei tätig war. Der Mann wurde suspendiert. Er sei bislang nicht als Extremist bekannt gewesen und erstmals als Teilnehmer des Treffens der Terrorgruppe am vergangenen Sonnabend in Minden aufgefallen, hieß es.
Fünfköpfiger Kern der Terrorgruppe besteht seit Herbst 2019
Die Terrorgruppe hatte sich im September 2019 gebildet. Schwerpunkt war Baden-Württemberg, deshalb leitet das Landeskriminalamt in Stuttgart die polizeilichen Ermittlungen. Die Rechtsextremisten kommunizierten vor allem über Chats, außerdem gab es mehrere Treffen. Diese soll der 53-jährige Werner S. aus dem Raum Augsburg koordiniert haben, zum Teil unterstützt von Tony E. (39) aus Niedersachsen.
Die Gruppe redete über Angriffe auf insgesamt sechs Moscheen, auf Asylbewerber und auf Politiker, wegen ihrer liberalen Haltung in der Migrationspolitik.
Der Fall erinnert an die ähnlich motivierte Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“. In der sächsischen Stadt hatten sich im September 2018 Rechtsextremisten zusammengetan, um am Jahrestag der Wiedervereinigung in Berlin Anschläge zu verüben. Die Gruppe wollte ebenfalls einen Bürgerkrieg entfachen.
Motiv war der Hass auf Migranten und Politiker, denen der angeblich drohende Untergang Deutschlands vorgeworfen wurde. 2015 hatten zudem Polizei, Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft Anschläge der Terrorgruppe „Oldschool Society“ vereitelt, die mit ähnlichem Hass Anschläge auf Flüchtlingsheime und salafistische Moscheen vorbereitete. (mit dpa)