Wer bei den Demokraten überzeugte: Alle gegen eine – und einer gegen alle
Bei der vierten TV-Debatte der US-Demokraten muss die neue Favoritin Elizabeth Warren viel einstecken. Besonders einer ihrer Mitbewerber teilt aus.
Und dann war alles ganz anders als gedacht. Viele Beobachter hatten damit gerechnet, dass die vierte TV-Debatte der US-demokratischen Präsidentschaftsbewerber zu einem Duell werden würde. Ein Zweikampf zwischen dem bisherigen Umfrage-Favoriten Joe Biden und Elizabeth Warren, die Senatorin aus Massachusetts, die sich in den vergangenen Wochen anschickte, an dem ehemaligen Vizepräsidenten vorbeizuziehen.
Doch statt Warren gegen Biden war es am Ende Pete Buttigieg, der den Laden aufmischte. Der Bürgermeister aus South Bend im Bundesstaat Indiana legte sich fast mit jedem der elf Kandidaten an, die neben ihm auf der Bühne in Westerville im US-Bundesstaat Ohio standen.
Es sind nicht mehr viele Monate übrig, bis in den ersten US-Bundesstaaten die demokratischen Vorwahlen stattfinden. Nicht mehr viel Zeit also, um doch noch in die Spitze der weiterhin rund 20 Präsidentschaftskandidaten vorzustoßen.
Wer da oben noch nicht angekommen ist, wie eben dieser Pete Buttigieg, der muss nun baldmöglichst alles daran setzen, das zu ändern. Ob bei dem Megathema, wie weiter mit der Gesundheitsreform, bei der Frage, was nun in Syrien und im Umgang mit der Türkei zu tun ist, oder beim Thema Verschärfung der Waffenrechte: Buttigieg zeigte sich angriffslustig und argumentationsstark. Dass er in Umfragen deutlich hinter Biden und Warren liegt, scheint ihn eher anzuspornen als zu entmutigen.
"Ich brauche von Ihnen keine Nachhilfe in Sachen Mut, weder persönlich noch politisch", schleuderte der 37-jährige Veteran des Afghanistankriegs dem früheren Kongressabgeordneten aus Texas, Beto O'Rourke, entgegen. Der hatte seinen Punktsieg aus der letzten TV-Debatte noch einmal aufleben lassen wollen und seine vollmundige Ankündigung wiederholt, Amerikaner, die sich ihre halbautomatischen Waffen nicht abkaufen ließen, dazu zwingen zu wollen.
Konkreter wurde er nicht, was vor allem Buttigieg kritisierte. "Sie wissen doch gar nicht, wie Sie damit Waffen tatsächlich von der Straße kriegen", sagte er. Wichtiger als Maximalforderungen sei ein überparteilicher Kompromiss. O'Rourke wehrte sich energisch und erklärte, er lasse sich nicht von "Umfragen, Beratern und Fokusgruppen" einengen. Aber der Punktsieg ging an Buttigieg.
Eine Abgeordnete aus Hawaii klingt fast wie Trump
Genauso energisch ging der junge, offen schwule Bürgermeister Tulsi Gabbard an. Die Kongressabgeordnete aus Hawaii, die selbst 16 Jahre als Soldatin gedient hatte, warb für einen Rückzug der US-Truppen aus "endlosen Kriegen" wie dem in Syrien - und klang dabei fast wie der US-Präsident, den sie alle loswerden wollen. "Donald Trump hat das Blut der Kurden an seinen Händen." Aber das hätten auch viele Politiker beider Parteien in den USA, die den "andauernden Regimewechsel-Krieg in Syrien" unterstützten, genauso wie viele in den "Mainstream-Medien".
"Mit allem Respekt, Frau Abgeordnete", sagte Buttigieg da, "Sie liegen absolut falsch." Das derzeitige "Abschlachten" in Syrien sei keine Folge der dortigen US-Präsenz. "Es ist eine Folge des Rückzugs und Verrats dieses Präsidenten an amerikanischen Verbündeten und amerikanischen Werten."
Warrens Schwäche: Bei der Krankenversicherung bleibt sie vage
Einen richtigen Treffer verwandelte Buttigieg aber bei Elizabeth Warren und dem großen Streitthema, welches Krankenversicherungssystem in den USA gelten sollte. Die Senatorin war zuvor zweimal der Frage des Moderators ausgewichen, ob sie für ihren teuren Plan einer Krankenversicherung für alle ("Medicare for all") Steuern auch für die Mittelschicht erhöhen müsste. Warren erklärte lediglich, dass die Kosten für diese Gruppe nicht steigen würden. "Ich werde kein Gesetz unterschreiben, das die Kosten für Familien aus der Mittelschicht nicht senkt", erklärte sie.
Buttigieg, der für eine "Krankenversicherung für alle, die das wollen" wirbt, ließ ihr das nicht durchgehen. "Wir haben es heute Abend gehört", sagte er. Eine Frage, auf die man nur mit Ja oder Nein antworten müsse, werde ausweichend beantwortet. Darum seien die Amerikaner so frustriert über Washington im Allgemeinen und den Kongress im Besonderen. Nach der Wahl werde das Land ohnehin schon "schrecklich gespalten" sein. Warum sollte man es da mit solch einem Thema noch weiter spalten, fragte er.
Warrens Pläne empfinden viele als einen radikalen Bruch mit dem bisherigen Gesundheitssystem, da jeder Amerikaner damit über das gleiche, gesetzlich verordnete Programm versichert wäre. Bisher sind die meisten Amerikaner, die derzeit eine Versicherung haben, über private Unternehmen versichert.
Nach Herzinfarkt: Bernie Sanders wieder voll präsent
Nun war Buttigieg nicht der einzige, der an diesem Dienstagabend (Ortszeit) auf die mögliche neue Favoritin losging. Auch andere moderate Kandidaten wie Amy Klobuchar, die Senatorin aus Minnesota, arbeiteten sich an Warren ab. "Zumindest Bernie ist hier ehrlich", sagte sie mit Blick auf den linkspolitischen Senator aus Vermont, Bernie Sanders. Der, nach seinem Herzinfarkt vor wenigen Wochen wieder voll präsent, wiederholte seine Voraussage, dass die Steuern steigen würden, um die "Medicare for all"-Pläne zu finanzieren, die er mit Warren teilt. Biden kritisierte ebenfalls, dass Warren bei dieser Frage vage bleibe.
Auch bei anderen Themen suchten etwa die Senatorin Kamala Harris, O'Rourke und Gabbard die Konfrontation mit Warren. O'Rourke warf ihr vor, sie sei zu sehr darauf bedacht, Mächtige in der Gesellschaft abzustrafen, anstatt den Schwachen auf die Beine zu helfen. Warren wehrte sich gegen die vielfachen Angriffe - und da die Moderatoren dieses Mal Antworten ausdrücklich ermutigten, hatte sie in der Debatte die meisten Redeanteile.
Joe Biden kommt eher glimpflich davon
Der Nebeneffekt der neuen Aufmerksamkeit für Warren war, dass Biden, der es in den vergangenen TV-Debatten aushalten musste, von allen anderen angegangen zu werden, an diesem Abend vergleichsweise glimpflich davonkam. Das war nicht unbedingt zu erwarten gewesen, machen ihm die fortgesetzten Attacken von Trump in der Ukraine-Affäre gegen sich und seinen Sohn Hunter doch ansonsten zu schaffen. Aber die Mitbewerber um die demokratische Nominierung standen vor einem schier unlösbaren Problem: Wie spricht man die Ukraine-Affäre und Bidens Rolle darin an, ohne Trump recht beziehungswiese seinen unbewiesenen Angriffen Raum zu geben?
Dabei hatten die Moderatoren von CNN und "New York Times" die Debatte sogar mit dem Thema eröffnet und den zwölf Kandidaten die Frage gestellt, ob es eigentlich fair sei, den Präsidenten über ein Amtsenthebungsverfahren und nicht über Wahlen aus dem Weißen Haus verjagen zu wollen.
Die Demokraten im Kongress haben Voruntersuchungen für ein Impeachment-Verfahren eingeleitet. Sie werfen Trump in der Ukraine-Affäre Amtsmissbrauch vor, weil er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat am 25. Juli zu Ermittlungen aufgefordert hatte, die Biden und seinem Sohn schaden könnten. Trump wirft Hunter Biden vor, sich geschäftlich in der Ukraine auf unlautere Weise bereichert zu haben - durch einen gut bezahlten Posten im Aufsichtsrat eines Energieunternehmens. Dessen Vater wiederum beschuldigt er, seine damalige Position als US-Vizepräsident ausgenutzt zu haben, um seinen Sohn vor strafrechtlichen Ermittlungen in der Ukraine zu schützen.
Sanders: „Der korrupteste Präsident aller Zeiten“
In dieser Frage stimmten eigentlich alle überein, dass dieser "korrupteste Präsident aller Zeiten" (O-Ton Bernie Sanders) impeached werden müsse. Nur Tulsi Gabbard warnte davor, dass dieser Prozess die Spaltung des Landes vertiefen werde und dass es nicht in Ordnung sei, dass schon seit Trumps Amtsantritt danach gerufen werde - ein Seitenhieb vor allem gegen den Milliardär Tom Steyer, der das erste Mal mitdiskutieren durfte und genau dafür vor mehr als zwei Jahren eine Initiative ins Leben gerufen hat. Allerdings gab auch der Tech-Gründer Andrew Yang zu bedenken, dass die Demokraten verlieren könnten, wenn sie zu viel über Trump sprächen.
An Biden selbst ging die Frage, was er selbstkritisch über sein Verhalten zu sagen habe. Der wich aber mehrfach aus und sagte lediglich: "Ich bin fälschlicherweise kritisiert worden. Mein Sohn hat nichts falsch gemacht. Ich habe nichts falsch gemacht." Da das Thema für ihn damit beendet war, kam er wieder auf den Präsidenten zu sprechen: "Es geht hier um Trumps Korruption. Darauf sollten wir uns konzentrieren." Wenn er der Kandidat wäre, dann werde er Trump "wie eine Trommel schlagen". Die Moderatoren gaben auf - und auch die Konkurrenten neben Biden ließen das Thema dann auf sich beruhen.