Griechenland: Alexis Tsipras gibt die Schuld den anderen
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras operiert schon jetzt mit Schuldzuweisungen. Er machte "neoliberale Führer in der EU" dafür verantwortlich, dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen seien. Andererseits setzt er darauf, Angela Merkel auf seine Seite zu ziehen.
Die griechische Regierung ist aus Sicht von Ministerpräsident Alexis Tsipras nicht für die lange Dauer der Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern verantwortlich. Dass es bislang noch keine Einigung gebe, liege nicht an der Uneinsichtigkeit der griechischen Seite, schrieb der linke Regierungschef am Sonntag in einem Artikel in der französischen Zeitung „Le Monde“.
Das pleitebedrohte Land habe eine Reihe von Reformvorschlägen unterbreitet, die auf eine Erhöhung der Steuereinnahmen hinausliefen. Tsipras machte, ohne konkrete Namen zu nennen, neoliberale Führer in der EU dafür verantwortlich, dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen worden seien. Diese Politiker wollten an Athen ein Exempel statuieren.
„Griechenland ist das erste Opfer“, schrieb Tsipras. „Alle Länder, die der Macht (der Neoliberalen) nicht nachgeben wollen, sollen demnach hart bestraft werden.“ Die Strafen bestünden nicht nur in der Auferlegung einer strengen Sparpolitik, sondern könnten auch Einschränkungen des Kapitalverkehrs oder die Einführung einer Parallelwährung neben dem Euro zur Folge haben.
Griechenland benötigt dringend neue Hilfskredite, um eine drohende Staatspleite abzuwenden. Dazu verlangen die Geldgeber jedoch ein umfassendes Reformprogramm.
Alexis Tsipras will Angela Merkel und Francois Hollande einen Vorschlag unterbreiten
Im Kampf gegen die drohende Staatspleite setzt Griechenland nach Medienberichten auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den französischen Präsidenten François Hollande. Das Griechenland-Thema könne beim Treffen der beiden mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Montagabend zur Sprache kommen, berichtete der Athener Radio- und TV-Sender Skai am Sonntag. Merkel, Hollande und der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras telefonierten am Sonntagabend miteinander. Das Gespräch sei konstruktiv verlaufen, teilte eine Regierungssprecherin mit. Tsipras hatte sich am Samstag mehr als acht Stunden lang mit dem Team der griechischen Unterhändler beraten. In Medienberichten hieß es, bei dem Treffen sei schließlich auch der Entwurf für ein Übereinkommen mit den internationalen Geldgebern formuliert worden. Der Premier wolle diesen Vorschlag nun Merkel und Hollande vorlegen. Die Gespräche mit der Kanzlerin und dem Präsidenten könnten per Telefonkonferenz oder am Rande des Berliner Treffens stattfinden. Die Regierung hofft offensichtlich darauf, dass dabei die wichtigsten Hindernisse aus dem Weg geräumt und ein Durchbruch in den Verhandlungen erzielt werden könnten. Sie hatte eigentlich bis zum Sonntag eine Einigung erzielen wollen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dämpfte jedoch Erwartungen an ein rasches Ergebnis: „Die positiven Nachrichten aus Athen spiegeln sich noch nicht vollständig im Gesprächsstand mit den Geldgebern wider.“ Tsipras geriet in Griechenland derweil in seinem eigenen Linksbündnis Syriza unter Druck. Der linke Flügel der Partei ist gegen weitere Zugeständnisse an die Geldgeber.
Erneut Spekulationen über eine Übergangslösung ohne IWF
Mehrere Syriza-Politiker protestierten zudem am Wochenende gegen die Entscheidung von Finanzminister Yanis Varoufakis, die Ökonomin Elena Panaritis zur neuen griechischen Delegierten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu ernennen. Die Wissenschaftlerin hatte dem sozialistischen Ex-Regierungschef Giorgos Papandreou als Beraterin gedient. Varoufakis äußerte sich zu den Protesten - in der ihm eigenen Art - auf Twitter: „Die Gerüchte über meinen bevorstehenden Rücktritt sind (wieder einmal) völlig verfrüht.“ Die EU-Kommission mahnte Athen in den Verhandlungen erneut zur Eile. „Die Zeit läuft ab“, sagte der Vizepräsident der Brüsseler Behörde, Valdis Dombrovskis, der griechischen Zeitung „Kathimerini“. „Wir brauchen ein umfassendes und glaubwürdiges Bündel von Reformen, zu deren Umsetzung die griechische Regierung bereit ist.“
In griechischen Medien wurde erneut spekuliert, Athen könne sich mit der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) auf eine Übergangslösung verständigen. Diese könne nur diejenigen Punkte umfassen, über die bisher eine Einigung erzielt worden sei, berichtete die Zeitung „To Vima“. Die Geldgeber würden demnach im Gegenzug nur einen Teilbetrag der ausstehenden Hilfen auszahlen. Eine solche Teillösung sei allerdings nur ohne den IWF möglich.
Griechenland soll im Rahmen des Ende Juni auslaufenden Hilfsprogramms noch 7,2 Milliarden Euro erhalten. Die Geldgeber zahlen die Mittel aber erst aus, wenn sich die Linksregierung zu Reformen verpflichtet. (dpa)