Wahlen in Bremen: Abschreiben sollte man die Bremer SPD nicht
Die Sozialdemokraten wurden Bremen mit dem schlechtesten Ergebnis seit 73 Jahren abgestraft. Doch den Genossen anderswo im Land geht es nicht besser. Ein Kommentar.
So weit unten war die über Jahrzehnte von Erfolg verwöhnte Landespartei noch nie, die die Geschichte Bremens in der Nachkriegszeit stets aus dem Rathaus der Stadt heraus geprägt hat: Seit 1946 regierte die SPD in dem Stadtstaat, doch muss sie laut den Prognosen nun ihr schlechtestes Wahlergebnis in 73 Jahren ertragen und landet zudem auch noch hinter der CDU nur auf dem zweiten Platz.
Das ist äußerst bitter für die Bremer Sozialdemokraten, doch völlig abschreiben sollte man sie trotzdem nicht. Sie haben immer noch die Chance, sich gemeinsam mit Grünen und Linken in eine rot-rot- grüne Koalition zu retten und damit auch weiterhin den Bürgermeister zu stellen.
Es wäre das erste Mal, dass die Linkspartei in einem westdeutschen Bundesland mitregiert. Doch die Entscheidung darüber, ob das gelingt, liegt nicht mehr bei der SPD. Die hatte vor der Wahl eine große Koalition ausgeschlossen. Da die Linkspartei mit den Sozialdemokraten regieren will, hängt nun alles an den Grünen, die aber erst mal in Ruhe alle Möglichkeiten ausloten wollen. Denn der Wahlsieger CDU beansprucht den Posten des Regierungschefs und will eine Koalition mit Grünen und FDP anführen.
Die Landesregierung kam nicht gut an
Überraschend kam das Ergebnis nicht. Denn noch nie haben Bürger in Umfragen eine Landesregierung so schlecht bewertet wie die von Carsten Sieling geführte rot-grüne Koalition. Die Bürger erteilten dem Regierungsbündnis extrem schlechte Noten in der Schul- und Bildungspolitik, in der Wohnungsbau- und Mietpolitik sowie in der Verkehrspolitik. Bürgermeister Sieling ist zudem ein geschätzter Fachpolitiker, aber kein Wahlkämpfer, der entschlossen emotional und rhetorisch zuspitzt oder sich durch besonderes Charisma vom zuletzt wegen rauer Auseinandersetzungen nicht besonders attraktiven Bild der Koalition abheben konnte.
Wenn es stimmt, dass Demokratie vom Wechsel lebt, müssten die Grünen nun die Konsequenzen ziehen und den Weg in eine neue Koalition suchen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass sie sich mit der FDP und ihrer nassforschen Spitzenkandidatin Lencke Steiner einigen können, die ein wirtschafts- und autofreundliches Bremen versprechen.
Nahles hat aus Bremen nichts zu befürchten
Deshalb spricht mehr dafür, dass am Ende Sieling im Amt bestätigt wird und ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Bremer Regierungspartei SPD aufschlägt. Es dürfte kein glänzendes Kapitel werden, denn Grüne und Linke werden erbitterte Auseinandersetzungen führen. Die Linken wollen die Schuldenbremse abschaffen, die Grünen verteidigen sie, als sei sie der heilige Gral.
Würde sie sich ehrlich machen, könnte es die Bundes-SPD nicht als positives Signal deuten, dass sie mit wenig mehr als 24 Prozent noch mal den Regierungschef in Bremen stellt. Trotzdem hat Parteichefin Andrea Nahles das Ergebnis am Wahlabend gefeiert. Tatsächlich hat der beklagenswerte Zustand der Partei im ganzen Land auch im Stadtstaat Prozente gekostet.
Die vier Jahre, die die Bremer SPD gewonnen hat, um sich zu regenerieren, stehen der Bundespartei nicht zur Verfügung. Im Herbst wählen drei ostdeutsche Länder. Und die Sozialdemokraten, sie scheinen angesichts ihrer eigenen Schwäche vor allem ratlos.