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Integration: Abitur, Studium – aber keine Stelle

OECD-Studie: Europa integriert selbst jene Migranten schlecht, die hoch qualifiziert sind. Auch bei gleicher Qualifikation und Bildung haben die Kinder von Einwanderern deutlich schlechtere Aussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt als die von Einheimischen.

Berlin - Dies hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD in einer vergleichenden Studie des Arbeitsmarkts jener 16 Mitgliedsländer festgestellt, in denen junge Leute mit Migrationshintergrund einen wesentlichen Teil der Bevölkerung ausmachen. Demnach ist der Abstand zwischen Einheimischen mit mindestens einem im Inland geborenen Elternteil und Einwandererkindern in Deutschland und Österreich der größte in Europa. Der OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig, einer der Autoren der Studie, zeigte sich „erstaunt“ darüber, dass er gerade bei Hoch- und Fachhochschulabsolventen so deutlich ist, obwohl Migranten- und Einheimischen-Kinder ihre Abschlüsse im selben Land gemacht haben. In Deutschland haben zwar 90 Prozent der hochqualifizierten Männer im Alter von 20 bis 29 Jahren einen Arbeitsplatz, wenn sie keinen Migrationshintergrund haben. Unter den jungen Migranten mit hohen und höchsten Abschlüssen sind es lediglich 81 Prozent.

Liebig vermutet eine negative Erwartung der Mehrheitsgesellschaft als Grund: „Eine Erkärung könnte sein, dass in Deutschland und Österreich auf dem Arbeitsmarkt die Erwartung vorherrscht, dass Migranten und deren Nachkommen eher gering qualifiziert sind. Bildungserfolge von Migranten und deren Nachkommen werden entsprechend noch nicht ausreichend honoriert.“ Dafür könnte auch die Integrationsquote weiter unten sprechen: Unter Geringqualifizierten gibt es praktisch keine Unterschiede: Hier haben 56 Prozent der Mehrheitsdeutschen Arbeit und 54 Prozent der Migrantenkinder. In Österreich ist die Beschäftigungsquote gering qualifizierter Migranten sogar etwas höher als die Einheimischer. Und auch das deutsche Berufsbildungssystem scheine  Migranten zu helfen: Von ihnen absolvieren mehr eine Berufsausbildung, als ihr Rückstand aus der Bildungsstudie „Pisa“ erwarten ließe.

In der öffentlichen Verwaltung dagegen sind die Unterschiede in Deutschland so massiv wie nirgendwo sonst: Dort arbeiten zehn Prozent der Nichtmigranten, aber nur drei der Migranten. Das sei deshalb bedeutsam, schreiben die Autoren, weil Migranten dort sichtbarer würden und der öffentliche Sektor Vorbildfunktion auch für die Privatwirtschaft habe. Zudem könne eine von Migranten mitgeprägte Verwaltung besser auf deren Bedürfnisse und Probleme reagieren. „Und die Verwaltung sollte auch die Gesellschaft eines Landes spiegeln“, so Autor Liebig zum Tagesspiegel.

Obwohl die beiden deutschsprachigen Länder in Europa die rote Laterne halten: Auch insgesamt fällt Europa in puncto Einwandererintegration auf dem Arbeitsmarkt deutlich hinter Australien, Kanada, Neuseeland und die USA zurück, also jene OECD-Länder, die ihrem Selbstverständnis nach Einwanderungsländer sind. In diesen vier Ländern gibt es nach Erkenntnissen der OECD-Forscher praktisch keine Unterschiede zwischen dem beruflichen Erfolg der Kinder von im Land geborenen Eltern und Einwandererkindern. Einzige europäische Ausnahme ist die Schweiz: Hier sind Migrantenkinder praktisch ebenso oft berufstätig wie einheimische Schweizer – unabhängig davon, ob sie hoch oder gering qualifiziert sind. Die OECD-Forscher erklären dies allerdings damit, dass die Mehrheit der Migranten in der Schweiz ihrerseits aus südeuropäischen OECD-Staaten kommen. Den Europäern raten sie zu einem „engeren Austausch von Erfahrungen und Methoden“ mit den erfolgreichen Ländern USA, Kanada, Neuseeland und Australien. Schließlich stellten Einwandererkinder schon heute „einen wesentlichen Teil der jungen Generation in vielen OECD-Ländern, und es ist zu erwarten, dass dieser Anteil in den nächsten Jahren steigen wird“.

Die OECD hat dreißig Mitglieder. Die Mehrzahl sind Länder mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen.

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