Politik: Ab nach Biblis
Für 26 Castoren aus der Wiederaufarbeitung wird nach Zwischenlagern gesucht. In Hessens Koalitionsvertrag ist das vorgesehen, aber CDU und Grüne sind sich trotzdem nicht einig.
Kommende Woche tritt Wolfgang Cloosters seinen Dienst im Bundesumweltministerium an. Der neue Chef der Reaktorsicherheitsabteilung muss sich allerdings nicht einarbeiten. Der Nachfolger des umstrittenen Atomaufsehers Gerald Hennenhöfer, den Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) im Januar entlassen hatte, hat sich schon seit Monaten mit der Frage beschäftigt, wo und wie die 26 Castor-Behälter gelagert werden sollen, die Deutschland aus dem britischen Sellafield und dem französischen La Hague noch zurücknehmen muss. Cloosters war von 1995 bis Ende Januar 2014 der oberste Atomaufseher in Schleswig-Holstein, wo er unter anderem die ewigen Pannenreaktoren Brunsbüttel und Krümmel zu kontrollieren hatte.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne), bis vor kurzem noch Cloosters’ Chef, hatte nämlich die prinzipielle Bereitschaft erklärt, zwischen 14 und 16 der insgesamt 21 Castoren aus Sellafield im Zwischenlager Brunsbüttel unterzubringen. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig dem Zwischenlager im vergangenen Sommer seine Betriebsgenehmigung entzogen. Habecks Stuttgarter Kollege Franz Untersteller (Grüne) wäre bereit, im Zwischenlager Philippsburg die fünf noch fehlenden Castoren aus La Hague unterzubringen. Doch für fünf bis sieben Castoren muss noch ein weiteres Land gefunden werden, denn ins Zwischenlager Gorleben sollen sie erklärtermaßen nicht mehr rollen. „Ich erwarte, dass wir mit allen betroffenen Bundesländern auf der Basis sachlicher Kriterien eine Lösung finden“, sagte Barbara Hendricks vor kurzem im Tagesspiegel-Interview. Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) hat nun in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ wiederholt, was auch schon im schwarz-grünen Koalitionsvertrag steht, nämlich dass diese Castoren im Zwischenlager Biblis unterkommen könnten, wenn es sachlich geboten sei und kein anderer Platz gefunden werde.
Nun hat Barbara Hendricks nicht jedes Mal so diplomatische Formulierungen gewählt, wenn sie über das Castor-Problem sprach. Vor kurzem ließ sie anklingen, dass auch CDU-geführte Landesregierungen ihren Beitrag zur Zwischenlagerung leisten müssten. Darauf reagierte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mit markigen Worten: „Es erscheint mir nicht zielführend, Castor-Transporte aus dem britischen Sellafield, die wir mit tausenden Polizeibeamten absichern müssen, von der Küste aus Hunderte von Kilometern durchs Land zu schicken, nur damit auch ein unionsregiertes Land betroffen ist.“ Der neue Landesvorsitzende der hessischen Grünen, Kai Klose, erinnerte die neue Koalitionspartnerin postwendend an den schwarz-grünen Koalitionsvertrag. Dort steht, „sollte es nach sorgfältiger Prüfung erforderlich sein, auch in Biblis zwischenzulagern, weil es in Deutschland keine andere Möglichkeit gibt, so werden wir eine Lagerung in Biblis dulden“. Auf den möglichen Dissens mit ihrem Koalitionspartner angesprochen, verweisen führende hessische Grüne auf diese Zeilen.
Im Zwischenlager Biblis wäre wohl neben der Lagerung der abgebrannten Brennelemente der abgeschalteten Atommeiler auch Platz für zusätzliche Castoren. Bei der Suche von geeigneten Lagerkapazitäten gehe es nicht nur um Transportstrecke in Kilometern, sagen Fachleute. Die Zahl der erforderlichen Umladungen der Castoren und eine möglichst kurze Strecke auf der Straße seien dabei entscheidend.
Führende Grüne in Wiesbaden geben sich zuversichtlich, dass nach einer entsprechenden fachlichen Bewertung auch ihre Koalitionspartnerin CDU die Lagerung in Biblis dulden wird. Zur fachlichen Abwägung über die Eignung zähle allerdings nicht die Frage, wer am jeweiligen Standort des Zwischenlagers politische Verantwortung trage.
Dagmar Dehmer, Christoph Schmidt Lunau
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