Verfassungsschutz: 9600 Aktenstücke über die Linkspartei
Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet seit März keine Abgeordneten der Linkspartei mehr. Doch zuvor wurde jede Menge Material gesammelt. Und ganz beendet hat der Geheimdienst seine Aktivitäten auch nicht.
Zum Teil ist es Geschichte, aber eben auch nur zum Teil. Ausführlicher als bisher hat die Bundesregierung jetzt darüber informiert, wie der Verfassungsschutz die Linkspartei, ihre Abgeordneten und ihre Gliederungen in den Blick genommen hat. Und warum das Kapitel „Der Geheimdienst und die Linkspartei“ noch nicht abgeschlossen ist, obwohl nach einer Weisung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vom März die Beobachtung von Bundestagsabgeordneten gestoppt wurde.
In einer dem Tagesspiegel vorliegenden Antwort auf einen Fragekatalog der Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke berichtet die Regierung, dass bis zu der Entscheidung im März auch noch nach der vergangenen Bundestagswahl vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gezielt Informationen zu 19 Bundestagsabgeordneten gesammelt wurden, vor der Wahl waren es noch 25. Außerdem beobachtet wurden vier Europaabgeordnete. Die Zahl der vom BfV beobachteten Landtagsabgeordneten wird mit Stand vom November 2012 aufgelistet – damals waren es elf. Anschließend flog die Linke in mehreren Ländern wie Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen aus den Landtagen.
Für Landesbehörden gelten eigene Regelungen
Ob tatsächlich gar keine Parlamentarier mehr im Visier des Geheimdienstes sind, bleibt offen, denn: Eingestellt wurde die Beobachtung nur vom BfV. Auf die Frage, ob Landesämter Linken-Abgeordnete aus Landtagen oder Bundestag beobachten, heißt es: „Die Bundesregierung vermag diese Frage nicht zu beantworten.“ Die Tätigkeit der Landesbehörden für Verfassungsschutz falle „in den alleinigen Verantwortungsbereich der jeweiligen Landesregierung“. Das BfV übernehme hier auch keine „Koordinierungsfunktion“.
"Beiläufig" auch Angaben über Mitarbeiter gesammelt
Zusammengetragen wurde jedenfalls sehr viel Papier, wie nun offenbar wird. Besonders dick ist laut Regierungsantwort die Sachakte zur Linkspartei, die bis 2012 - damals wurde die Beobachtung der Gesamtpartei eingestellt – auf „ungefähr 9600 Aktenstücke“ angewachsen ist, manche von ihnen mit vielen Seiten. Sie wird zwar nicht mehr neu befüllt, wurde aber bisher auch nicht gelöscht. "Generell lässt sich die Aussage treffen, dass die Sachakte vereinzelt und beiläufig auch Angaben über Mitglieder der Fraktion Die Linke und Mitarbeiter der Abgeordneten enthält", schreibt das Innenministerium an Jelpke.
Mehrere Zusammenschlüsse in der Linkspartei wie die Kommunistische Plattform (seit 1990), die Antikapitalistische Linke (seit 2006) und auch das trotzkistische Netzwerk Marx 21 (seit 2007) werden weiter beobachtet, weil es sich bei ihnen laut Verfassungsschutz um „offen extremistische“ Gruppen handelt. Die Regierung schließt nicht aus, dass die Sachakte zur Linkspartei auch Informationen enthält, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen wurden. Und auch wenn das BfV vorerst keine Personenakten zu einzelnen Abgeordneten mehr anlegen will: Gespeichert werden können ihre Namen auch künftig dann, wenn sie zu Gunsten gewaltbereiter oder extremistischer Strukturen „auffällig werden“.
Jelpke spricht weiter von "Skandal"
Im Herbst hatte das Bundesverfassungsgericht im Streit um den thüringischen Linken-Politiker Bodo Ramelow entschieden, dass nur noch Parlamentarier beobachtet werden dürfen, die ihr Mandat zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbrauchen. Im März dann hatte de Maizière die Neuregelungen mit einer „Beobachtungspriorisierung“ erklärt. Nach Ansicht von Ulla Jelpke ist das die falsche Begründung. Vielmehr sei die Beobachtung einzustellen, „weil sie einen Eingriff in das Mandat der Abgeordneten darstellt.“ Die Politikerin erklärt weiter: "Auch wenn nun die Beobachtung der Abgeordneten eingestellt wurde: Die Beobachtung der Linke und ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht bleibt ein Skandal."