Finanzminister Scholz legt Schätzung vor: 124,3 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen bis 2023
Die Steuerschätzung ergibt für den Bund bis 2023 eine Lücke von 10,5 Milliarden. Die Union warnt allerdings vor Steuererhöhung und neuen Schulden.
Die lahmende Konjunktur lässt die Steuereinnahmen in Deutschland wesentlich schwächer ausfallen – der großen Koalition stehen nun härtere Verteilungskämpfe bevor. Bund, Länder und Gemeinden müssen von 2019 bis 2023 mit rund 124 Milliarden Euro weniger rechnen als noch im November veranschlagt. Das Minus beim Bund allein beträgt 70,6 Milliarden Euro. Das ergab die neue Steuerschätzung, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag vorstellte. Damit wird auch der Spielraum kleiner, mit neuen Ausgaben für mehr Wirtschaftswachstum zu sorgen.
Scholz betonte, die Entwicklung sei beim Aufstellen der Haushaltseckwerte im März schon weitgehend berücksichtigt worden. Deshalb muss er bis 2023 tatsächlich nur noch eine Etatlücke von 10,5 Milliarden Euro schließen. Die von der großen Koalition geplanten Vorhaben könnten weitgehend gelingen, „wenn wir zusammenarbeiten und nicht gegeneinander“. Die Mindereinnahmen abzufedern sei machbar. Auch für das laufende Jahr seien trotz Steuerausfällen für den Bund keine gesonderten Maßnahmen erforderlich. Scholz lehnte es ab, vom Grundsatz des Verzichts auf neue Schulden abzurücken. Er habe mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besprochen, „dass wir dabei bleiben wollen“, sagte Scholz zur „schwarzen Null“.
Die Union pocht allerdings – von CSU-Chef Markus Söder (CSU) bis zu Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) – auf steuerliche Entlastungen für Unternehmen, um die Konjunktur anzukurbeln. Die SPD wiederum will eine milliardenschwere Grundrente durchsetzen, um zum Beispiel einer Friseurin, die 40 Jahre voll gearbeitet hat, eine monatliche Rente von rund 950 Euro zu garantieren. Der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg betonte, dass der Empfängerkreis begrenzt werden müsse. „Die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung im Umfang von fünf Milliarden Euro ist nicht finanzierbar. Auch nicht aus den Reserven der Gesetzlichen Rentenversicherung.“
Während die Koalition vor allem einen Fokus auf Sozialausgaben und Leistungen wie das Baukindergeld gelegt hat, sind nun kaum noch neue Projekte oder Entlastungen möglich, zum Beispiel eine Investitionsoffensive, um Straßen, Schienen und Brücken zu modernisieren. Allein die Lage bei der Deutschen Bahn hat gezeigt, dass im Verkehrssektor einiges im Argen liegt. Angeschoben ist aber eine bessere Mobilfunk- und Internetabdeckung in ländlichen Regionen. Auch die von US-Präsident Donald Trump und anderen Nato-Partnern geforderte deutliche Erhöhung der Militärausgaben dürfte nun abgeblockt werden.
Seit 2014 hat der Bund Überschüsse verzeichnet
Die Union warnte die SPD, jetzt an der Steuerschraube zu drehen. Unions-Fraktionsvize Andreas Jung betonte: „Null Toleranz für neue Schulden und null Spielraum für ein Anziehen der Steuerschraube.“ Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke sagte dem Tagesspiegel: „Als verantwortungsbewusster Steuermann müsste Finanzminister Scholz spätestens jetzt umsteuern“. Die vielen weiteren Mehrausgaben, die Union und SPD planen, sollte er stoppen, bestehende Ausgaben zurückfahren und unsinnige Subventionen wieder abschaffen.
Seit 2014 hat der Bund Überschüsse verzeichnet. Hauptgrund für die schlechtere Schätzung ist der erwartete Rückgang des Wirtschaftswachstums, die Regierung rechnet nur noch mit 0,5 Prozent in diesem Jahr. Aber dennoch wachsen Wirtschaft und Steuern noch – nur eben geringer als bisher gedacht. 2019 sollen die Steuereinnahmen von BUnd, Ländern und Kommunen auf knapp 794 Milliarden Euro steigen, bis 2024 auf 908 Milliarden Euro. Der Bundesverband der Deutschen Industrie forderte wegen des schärferen internationalen Wettbewerbs Entlastungen, die Steuerbelastung von Unternehmen solle maximal 25 Prozent betragen.
Albert Funk, Georg Ismar
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