Homöopathie: Zuckerpille oder Zahnersatz
Natürlich wäre es schön, wenn die Homöopathie funktionieren würde. Tut sie aber nicht. Und natürlich wäre es schön, wenn Menschen, die trotzdem zum Homöopathen wollen, den Besuch bezahlt bekämen. Aber was für eine Behandlung ausgegeben wird, fehlt für eine andere.
Schon der Begriff ist Propaganda: Schulmedizin. Das klingt nach auswendig lernen und aufsagen, nach „ungenügend“ und „versetzungsgefährdet“. Kein Wunder also, dass die Bezeichnung von Franz Fischer geprägt wurde, einem Vertreter der Homöopathie, jener Medizin, die sich wahlweise als „sanft“ oder „alternativ“ verstanden wissen will, in jedem Fall aber als dem überlegen, was an deutschen Universitäten gelehrt wird.
Dabei eignet sich der Stempel „Schulmedizin“ durchaus als Gütesiegel. Denn es ist eine harte Schule, durch die die moderne Medizin muss. Randomisierte, doppeltblinde, placebokontrollierte Studie nennt sich die Abschlussprüfung. Hinter dem Wortungetüm versteckt sich ein einfaches Prinzip: Patienten werden in zwei Gruppen geteilt. Die eine Gruppe erhält den zu untersuchenden Wirkstoff, die andere eine Zuckerpille ohne Wirkstoff. Keiner weiß, wer in welcher Gruppe ist, die Patienten nicht und auch die Ärzte nicht. Am Ende wird untersucht: Wem geht es besser, wem nicht? Dann erst wird aufgelöst, wer den Wirkstoff erhielt und wer nur die Scheintherapie.
Um zu verstehen, was für ein Fortschritt das ist, muss man sich die dunkle Vergangenheit der Medizin vor Augen führen, mit ihrer gefährlichen Mischung aus Überliefertem, Vermutetem und Geratenem. Damals schadete der Arzt häufig mehr, als er nutzte. Heute arbeiten die Mediziner ganz anders. Alle Medikamente in ihrem Arsenal, die von den Behörden zugelassen und von den Krankenkassen erstattet werden, müssen diese Prüfung bestehen.
Alle Medikamente? Nein. Für die Homöopathie gilt diese einfache Regel nicht. Kein Wunder, denn sie würde bei so einer Prüfung durchfallen. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach fordert nun, Krankenkassen sollten den Besuch beim Homöopathen nicht länger zahlen. Denn bei allem Streit über die Details zeichnen die großen Studien der letzten 20 Jahre ein klares Bild. Nach diesen Maßstäben ist die Homöopathie nicht wirksam. Sie ist eine Scheinbehandlung. Bei manchem verschwindet die Krankheit, wie Krankheiten das eben hin und wieder tun, und er hält es für einen Erfolg der Pillen. Bei anderen reicht die eingebildete Behandlung, um die Selbstheilungskräfte des Körpers zu mobilisieren.
Daraus aber abzuleiten, dass die Homöopathie gute Medizin ist, wäre fatal. Nach dieser Logik müssten Pharmaunternehmen auch Zuckerpillen verkaufen dürfen, keinem Quacksalber könnte man entgegenhalten, er möge die Wirksamkeit seiner Medizin beweisen. Hinzu kommt, dass der Placeboeffekt bei unterschiedlichen Krankheiten unterschiedlich stark wirkt. Wer Kopfschmerzen hat, dem mag man ein Placebo noch anbieten können. Aber bei Brustkrebs oder Aids?
Natürlich hat die Homöopathie ihre guten Seiten. Sie setzt dem Bild von der Maschine Mensch, die nur „funktionieren“ soll, etwas entgegen, das den meisten Menschen sympathischer ist: den Menschen als Wesen, mit Ängsten, Wünschen, Träumen. Homöopathen sprechen von Ganzheitlichkeit, aber im Kern geht es darum, sich als Mensch beim Arzt ernst genommen, verstanden und, ja, geborgen zu fühlen. Hier kann die Schulmedizin tatsächlich noch einiges lernen.
Natürlich wäre es schön, wenn die Homöopathie funktionieren würde. Tut sie aber nicht. Und natürlich wäre es schön, wenn Menschen, die trotzdem zum Homöopathen wollen, den Besuch bezahlt bekämen. Aber das Gesundheitssystem ist am Ende ein Nullsummenspiel. Was für eine Behandlung ausgegeben wird, fehlt für eine andere. Und wenn schon gespart werden muss, dann doch bitte an Methoden, deren Nutzen bestenfalls fragwürdig ist. Was ist wichtiger: Zahnersatz oder Zuckerpillen?
Zurzeit wächst die Lebenserwartung eines Deutschen mit jedem Tag um sechs Stunden. Das ist ein Erfolg der Schulmedizin und zeigt, wie richtig die rigorosen Standards sind. Sie hat ihre Hausaufgaben gemacht. Die Homöopathie dagegen versucht immer wieder, die Matheaufgaben zu lösen, indem sie die Ergebnisse würfelt. Es gibt keinen Grund, warum die Gemeinschaft sie weiter bezahlen sollte.