Dresden: Wo Bürger gegen Nazis siegen
Dank Blockaden von Bürgern kamen die braunen Geschichtsverdreher in Dresden nicht vom Fleck. Das ist eine schwere Niederlage für den deutschen Rechtsextremismus und ein großer Erfolg für die junge, oft noch ungefestigt erscheinende Demokratie im Osten.
Sie standen da wie angenagelt, Backe an Backe und voller Wut. 5000 Rechtsextremisten wollten am Sonnabend, dem 65. Jahrestag der Bombenangriffe auf Dresden, durch die Stadt marschieren und den Kampf um die Bilder zu diesem symbolträchtigen Datum gewinnen. Es wurde ein Debakel. Dank der Blockaden tausender Nazigegner blieben die braunen Geschichtsverdreher vor dem Bahnhof von Dresden-Neustadt eingepfercht. Bürgerliche Demokraten und Linke besetzten die umliegenden Straße und Plätze, die Polizeiführung verzichtete auf eine gewaltsame Räumung und ersparte der Stadt schwere Straßenschlachten. Viele Neonazis hatten sogar angesichts der Blockaden erst am Nachmittag den Sammelplatz am Bahnhof erreicht. Die etwas abgegriffene linke Parole aus dem spanischen Bürgerkrieg, „no pasarán“, sie werden nicht durchkommen, wurde am Sonnabend Realität.
Der 13. Februar 2010 ist das Datum einer schweren Niederlage des Rechtsextremismus in Deutschland. Und eines großen Erfolges für die junge, oft noch ungefestigt erscheinende Demokratie im Osten. Das ist gerade in Sachsen, wo die NPD im vergangenen Jahr wieder in den Landtag einzog, ein historisches Signal. Auch wenn es problematisch bleibt, dass den Neonazis punktuell das Recht auf Demonstration genommen war.
Der Szene wurde jedenfalls der zentrale Termin ihres Aufmarschkalenders verdorben. Es hatte allerdings lange gedauert, bis es endlich gelang, die Tradition der braunen „Trauermärsche“ mit tausenden Neonazis aus dem In- und Ausland zu brechen. Vorher ließen sich die Demokraten viel bieten. 2005, zum 60. Jahrestag der alliierten Luftangriffe auf die Stadt, gelang es der rechten Szene, mit einer großen Demonstration die Medienbilder vom Tag aus Dresden zu dominieren. Und die frisch gewählte NPD-Fraktion im sächsischen Landtag schwadronierte über den „Bombenholocaust“, bundesweit kochte Empörung hoch. Rechtsextreme Provokation erreichte maximale Aufmerksamkeit. Heute ernten die Neonazis Spott.
Dresden wird jetzt ein symbolisches Wort für eine Demokratie, die sich gegen ihre ärgsten Feinde durchsetzt. Im 20. Jahr der deutschen Einheit überstrahlt „Dresden“ die Bilder, die in Ostdeutschland Anfang der neunziger Jahre zu sehen waren. Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen. Die Angriffe von Neonazis und „normalen“ Bürgern auf Asylbewerberheime, an vielen Orten im Osten. Natürlich gab es auch entsetzliche Gewalttaten im Westen des Landes, erinnert sei an die Brandanschläge in Mölln und Solingen. Doch nur im Osten schlug Alltagsrassismus um in Massenmilitanz. Und immer noch ist die Zahl der rechten Straftaten in den neuen Ländern proportional zur Einwohnerzahl viel höher als im Westen. Aber am Sonnabend standen in Dresden die Massen gegen die Nazis. Bei den Blockaden und in der gigantischen Menschenkette in der Dresdener Altstadt, zum unverfälschten Gedenken an die Opfer von NS-Regime und Krieg.
Der Rechtsextremismus bleibt trotzdem gefährlich, besiegt ist er noch lange nicht. Gerade in ländlichen Gebieten, sei es in der Sächsischen Schweiz oder in Ostvorpommern, haben sich braune Jugendkulturen zusammen mit der NPD in Teilen der Gesellschaft eingenistet. Dort sind auch Teile des Bürgertums infiziert. Was in Dresden jetzt möglich war, ist in Pirna oder Ueckermünde weit schwerer zu erreichen. Aber Dresden macht Mut. Hoffentlich auch im letzten Winkel der Provinz. Im Osten und im Westen.